01.04.2008

Mehr Spielraum beim Nano-Design

Mithilfe eines neuen Verfahrens lässt sich nanostrukturiertes Aluminiumoxid herstellen – z. B. für Membranen oder optoelektronische Bauteile.



Mithilfe eines neuen Verfahrens lässt sich nanostrukturiertes Aluminiumoxid herstellen – z. B. für Membranen oder optoelektronische Bauteile.

Wenn sich Bauklötze von selbst zu einem Haus zusammensetzen würden, wäre das ein Spuk – in der Nanowelt heißt so etwas Selbstorganisation. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle haben nun eine Methode entwickelt, um nach diesem Prinzip komplexe Strukturen aus Aluminiumoxid aufzubauen. Die Forscher kombinieren die harte und milde Anodisation – zwei Verfahren, um Aluminiumoxid herzustellen – in einer neuen Methode: der Puls-Anodisation. Sie erzeugt stabiles Aluminiumoxid und ist dabei sehr schnell. Vorher ließ sich das Material entweder rasch oder robust, dafür aber langsam herstellen. Zudem ermöglicht die neue Methode Strukturen, die als Membranen oder in der Optoelektronik Anwendung finden könnten, mit herkömmlichen Methoden aber sehr aufwändig herzustellen sind.

Die Arbeit der Hallenser Wissenschaftler könnte die eines Nano-Architekten sein: Akkurat stapeln sich in einer ihrer Konstruktionen Schichten aus Aluminiumoxid wie Stockwerke übereinander, verbunden durch unzählige Kunststoffröhrchen, die nur wenige Nanometern dick sind. Solche Strukturen ließen sich bislang ausschließlich schichtweise und nur lithografisch durch das Ätzen vorstrukturierten Materials herstellen. Im Labor Woo Lees und seiner Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik sind solche Strukturen beinahe von selbst gewachsen. Möglich macht das die Puls-Anodisation – ein neues Verfahren, um Aluminiumoxid zu erzeugen.

Eine Schicht aus Aluminiumoxid schützt alle Produkte aus Aluminium vor Korrosion – vom Kochtopf bis zum Flugzeug. Solch eine Oxidschicht wird mithilfe der harten Anodisation (HA), einem Eloxal-Verfahren, erzeugt. Dabei dient das Werkstück aus Aluminium, etwa ein Kochtopf, als Anode in einer Elektrolysezelle. In dieser treibt eine elektrische Spannung eine chemische Reaktion an, in diesem Fall die Oxidation des Aluminiums. Die harte Anodisation arbeitet mit Spannungen von bis zu 70 Volt und läuft schnell ab. Sie macht die Oxidschicht jedoch anfällig für Mikrorisse, die den Schutz zerstören können. Deshalb ist die Technik vor allem für die Nanotechnologie unbrauchbar. Oxidschichten, die bei der milden Anodisation (MA) mit Spannungen unter 25 Volt entstehen, sind zwar deutlich robuster, wachsen aber nur sehr langsam.

Abb.: Gestapeltes Aluminiumoxid. (a): Bei der Puls-Anodisation schichten sich abwechselnd Oxidlagen übereinander, die unter harten (HA-AAO – violett) und milden (MA-AAO – türkis) Bedingungen entstanden sind. Die weißen Pfeile in der Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme deuten auf Aluminium-Nanoröhrchen, die mit anodischem Aluminiumoxid (AAO) überzogen sind. (b): Scheiben des unter milden Bedingungen gewachsenen Aluminiumoxids bleiben zurück, nachdem das HA-Aluminiumoxid gezielt weggeätzt wurde. (Bild: Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik)

„Wir haben die beiden Methoden zur Puls-Anodisation kombiniert, um ihre Nachteile zu umgehen“, sagt Woo Lee, der an den Arbeiten maßgeblich beteiligt war: „So können wir sehr effizient widerstandsfähige Aluminiumoxidschichten ohne Mikrorisse herstellen.“ Das könne technisch für den Flugzeug- und Automobilbau, aber auch für Aluminium in der Architektur interessant sein, ergänzt der Wissenschaftler.

Meistens herrschen bei der Puls-Anodisation mit einer Spannung von 25 Volt milde Bedingungen – die Oxidschicht, die dabei wächst, bezeichnen die Forscher als MA-Aluminiumoxid. Alle drei Minuten fahren die Forscher die Spannung für höchstens eine halbe Sekunde auf 35 Volt hoch, sodass sich rasch eine Lage HA-Aluminiumoxid bildet. „Erstaunlicherweise wächst die Oxidschicht während dieser kurzen Pulse um ein vielfaches schneller, als bei der harten Anodisation üblich“, sagt Woo Lee. Letztlich wechseln sich MA- und HA-Schichten im Abstand weniger 100 Nanometer ab. „Die Schichten aus MA-Aluminiumoxid stabilisieren dabei die fragileren HA-Schichten“, sagt Lee.

Die Puls-Anodisation gibt den Forschern zudem neuen Spielraum, die Struktur des Aluminiumoxids zu gestalten. Bei einer Anodisation fressen sich immer Poren in das Oxid, und ordnen sich gewöhnlich ziemlich wahllos an. Die Kanälchen bilden jedoch ein sechseckiges Muster, wenn Materialwissenschaftler Aluminium bei geeigneter Temperatur, Spannung und Zusammensetzung des Elektrolyten sowie passendem pH-Wert anodisieren. „In dieser Anordnung, die durch Selbstorganisation entsteht, ist der mechanische Stress, den die Poren im Aluminiumoxid erzeugen, vermutlich am geringsten“, erklärt Martin Steinhart, der an den Arbeiten beteiligt war.

Den Poren eine Ordnung aufzuzwingen, beherrschen Materialwissenschaftler schon seit längerem. Neu ist, dass die Physiker aus Halle mit der Puls-Anodisation dreidimensionale Muster ins Aluminiumoxid einarbeiten können. Denn der Durchmesser der Poren hängt von der elektrischen Spannung ab, bei der die Anodisation abläuft. So können die Wissenschaftler die Kanäle mal verengen und mal weiten.

Noch mehr kreative Freiheit in der Nanoarchitektur ermöglichen die unterschiedlichen chemischen Eigenschaften der HA- und MA-Oxidschichten. Unter den harschen Bedingungen der HA-Anodisation wird das Oxid nämlich stärker verunreinigt, sodass ihm etwa Säuren stärker zusetzen. Die HA-Schichten lassen sich also gezielt auflösen. Und das haben die Forscher ausgenutzt, um die Stapel aus Aluminiumoxid herzustellen, die von Kunststoffröhrchen verbunden werden: Zunächst schichten sie mithilfe der Puls-Anodisation HA- und MA-Aluminiumoxid übereinander, füllen die Poren mit einem Polymer und ätzen die HA-Schichten anschließend mit schwacher Phosphorsäure weg.

Um Flugzeuge, Autos und Gebäude besser gegen Korrosion zu schützen, braucht es die Gestaltungsmöglichkeit in der Porenstruktur nicht. „Sie könnte aber helfen, Membranen oder Speichermedien aus Aluminiumoxid herzustellen“, sagt Woo Lee. Wenn man die neue Methode des Nanodesigns mit herkömmlichen Techniken der Mikrostrukturierung verbindet, lassen sich zudem Materialien mit besonderen optischen und Schwingungseigenschaften produzieren – was für optoelektronische Bauteile interessant wäre.

Quelle: MPG [PH]

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