Membranen im Detail verstehen
Neue Arbeitsgruppe widmet sich der Biophysik von Ionenkanälen.
Als „U-Boote des Wissens“ bezeichnete der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker die Viren, weil sich an ihnen, reduziert auf das absolut Wesentliche, grundlegende Prozesse der Zellbiologie studieren lassen. In diesem Sinne nutzt Indra Schröder Ionenkanäle, die in Viren vorkommen, um daran die Struktur-Funktionsprinzipien dieser kleinsten Poren in den Zellmembranen zu untersuchen. Die 43-jährige Biophysikerin hat seit September eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Heisenberg-Professur für Biophysik der Ionenkanäle an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne und erklärt: „Ionenkanäle verknüpfen in unserem Körper chemische und elektrische Informationen und spielen damit eine Schlüsselrolle für Stoff- und Signaltransporte.“ Die detaillierte Kenntnis ihrer Funktion bietet wichtige Ansatzpunkte für das Verständnis von Krankheitsmechanismen.
Ionenkanäle sind Proteinmoleküle, die aus mehreren Untereinheiten aufgebaut sind; aufgrund elektrischer oder chemischer Signale ändert sich deren Struktur. Um den Virenkanälen und auch viel komplexer strukturierten, klinisch relevanten Kanalproteinen beim Öffnen und Schließen zuschauen zu können, nutzt die Wissenschaftlerin ausgefeilte elektrophysiologische Methoden, sie baut künstliche Zellmembranen und misst mit Mikrometer-feinen Elektroden den durch einen Kanal fließenden Strom. Eine besondere methodische Herausforderung für die Messungen ist die Geschwindigkeit des Schaltprozesses. „Wir erreichen im Idealfall eine Zeitauflösung bis in den Nanosekundenbereich“, so die Professorin, „diese Messdaten ergänzen wir durch Zusammenarbeit mit theoretisch arbeitenden Gruppen, um aus deren moleküldynamische Simulationsrechnungen statistische Vorhersagen treffen zu können.“
Indra Schröder studierte Physik an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und forschte bereits als Doktorandin am dortigen Institut für Angewandte Physik und Zentrum für Biochemie und Molekularbiologie an Ionenkanälen. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als PostDoc an der TU Darmstadt und anderthalb Jahre lang an der Universität Mailand. In Darmstadt habilitierte sie sich mit der hochaufgelösten Analyse des Schaltverhaltens von Ionenkanälen für die Fächer Biophysik und Zellbiologie. An der TU Darmstadt leitete sie eine eigene Juniorarbeitsgruppe im Fachbereich Biologie.
Im vergangenen Jahr wurde Indra Schröder in das Heisenberg-Programm der DFG aufgenommen. Die bis zu fünfjährige Förderung ermöglicht ihr den Ausbau ihrer wissenschaftlich eigenständigen Arbeitsgruppe. Diese ist am Institut für Physiologie II des Universitätsklinikums angesiedelt, das schwerpunktmäßig an Ionenkanälen und Membranrezeptoren forscht. In der hier koordinierten DFG-Forschungsgruppe zur Dynamik von Ionenkanälen und Transportern leitet sie ein Teilprojekt. Als Heisenbergprofessorin hat Indra Schröder keine Lehrverpflichtung, wird sich aber am interfakultären Masterstudiengang Medical Photonics und an der Physiologielehre für Studierende im Nebenfach beteiligen. Für ihr Forschungsgebiet hat die Biophysikerin schon zu vielen Arbeitsgruppen an Klinikum, Universität und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf dem Beutenberg Kontakte knüpfen können. „Ich freue mich, Teil des Jenaer Netzwerks im Bereich der Bio- und Medizinphotonik zu werden“, so Schröder.
Uniklinikum Jena / DE