30.11.2012

Merkur: Heißer Planet on the Rocks

Neue Daten der Raumsonde MESSENGER belegen die Existenz gefrorenen Wassers in den schattigen Polkratern des sonnennahen Planeten.

Merkur ist ein Ort der Extreme. Der sonnennächste Planet unseres Sonnensystems besitzt nur rund ein Drittel des Abstands zur Sonne wie die Erde; zugleich hat seine Umlaufbahn die größte Exzentrizität aller Planeten. Seine Eigendrehung ist sehr langsam und zeigt eine gebrochene gebundene Rotation, bei der drei Merkurtage exakt zwei Umläufen um die Sonne entsprechen. Aufgrund seiner sehr langen Tage und Nächte schwanken auch die Oberflächentemperaturen zwischen Extremen und reichen von eisigen minus 170 bis hin zu glühenden 400 Grad. Da Merkurs Rotationsachse fast perfekt senkrecht auf seiner Bahnebene liegt, gibt es auf ihm auch keine Jahreszeiten. Dafür besitzt er Regionen ewiger Nacht. Kein Lichtstrahl erreicht die Kratertäler an den Polen. Dort herrschen dauerhaft frostige Temperaturen, da Merkur keine nennenswerte Atmosphäre besitzt, die diese Täler per Konvektion erwärmen könnte. Aufgrund hoher Radarrückstrahlung, die man mit erdgebundenen Teleskopen aus diesen Tälern nachweisen konnte, bestand die Vermutung, dass sich dort größere Mengen Wassereis befinden könnten.

Abb.: Die Temperaturen auf Merkur können auch in höheren Breiten über 500 Kelvin erreichen. (Bild: D. Paige et al. / NASA)

Die NASA-Raumsonde MESSENGER hat Merkur in den letzten Jahren vermessen und dabei auch sein Magnetfeld sowie die Gamma- und Neutronenstrahlung von seiner Oberfläche unter die Lupe genommen. Gleich drei nun publizierte Veröffentlichungen beschäftigen sich mit der Frage nach den Eisvorkommen in den Polkratern. Alle Indizien deuten darauf hin, dass in den Gebieten ewiger Nacht tatsächlich viele Milliarden Tonnen Wassereis auf der Oberfläche liegen, wobei ein Teil anscheinend von einer Schicht organischen Materials bedeckt ist.

Ein Teil der Mission besteht in der Erstellung eines topographischen Höhenprofils mit Hilfe eines Laser-Altimeters. Aus diesen Daten rekonstruierte ein Forscherteam die durchschnittliche Temperaturverteilung der Nordpolregion. Es zeigte sich, dass die Gebiete, die dauerhaft höchstens 100 Kelvin erreichen, auch eine hohe Radarrückstrahlung sowie eine helle Färbung im Infraroten aufwiesen. Dies spricht für die Existenz von frei liegendem Wassereis. Regionen mit leicht höherer Temperatur zeigten demgegenüber eine dunklere Infrarot-Färbung, waren in Hinsicht auf andere Messungen jedoch konsistent mit der Existenz von gefrorenem Wasser. Die Forscher vermuten, dass sich hier das Eis unter einer dünnen, isolierenden Schicht organischen Materials verbirgt, die es vor Sublimation in die extrem dünne Marsatmosphäre schützt.

Ein anderes Forscherteam wertete die Daten des Neutronen-Spektrometers aus. Neutronenstrahlung entsteht auf Merkur, wenn die hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung, von der ultradünnen Atmosphäre kaum gebremst, auf die Oberfläche treffen und dort Spallation betreiben. Die zerplatzten Atomkerne setzen unter anderem Neutronen frei, die anschließend mit der obersten Gesteinsschicht wechselwirken. Das Neutronen-Spektrometer an Bord von MESSENGER unterscheidet zwischen schnellen Neutronen oberhalb einem halben Megaelektronenvolt, langsamen thermischen Neutronen unterhalb einem halben Elektronenvolt und epithermischen mit einer dazwischen liegenden Energie.

Vor allem epithermische, aber auch schnelle Neutronen sind sehr sensitiv auf Wasserstoff, da sie gleich schwer wie Protonen sind und somit durch Stöße schnell Energie verlieren. Die Messdaten weisen auf größere Mengen an Wasser hin, wobei die Kombination von schnellen und epithermischen Neutronen den Schluss nahelegt, dass ein Teil dieses Wassers von einer etwa einem Dutzend Zentimeter dicken Schicht organischen Materials bedeckt ist. Dies ist in Übereinstimmung mit den Radar- und Infrarotmessungen.

Abb.: Die mögliche Tiefe von Wassereis-Vorkommen, wie sie sich aus Simulationen zur Temperaturverteilung ergibt. Nur in den schattigen Tälern der Polkrater kann sich Wassereis halten. Überall, wo höhere Temperaturen herrschen, verdampft es in kurzer Zeit. (Bild: D. Paige et al. / NASA)

Aufgrund der hohen Flughöhe von MESSENGER von 200 bis 600 Kilometer über dem Nordpol beträgt die räumliche Auflösung des Neutronen-Spektrometers aber nur einige hundert Kilometer. Damit lassen sich die Radar-hellen Gebiete mit ihrer Ausdehnung von unter 40 Kilometern nicht direkt auflösen, sondern lediglich Mittelwerte angeben, die mit den anderen Messverfahren kompatibel sind.

Die Sublimationsrate von Wassereis im Beinahe-Vakuum der Merkur-Atmosphäre erhöht sich exponentiell mit steigender Temperatur. Während bei 102 Kelvin eine einen Meter dicke Schicht aus reinem Eis innerhalb von einer Milliarde Jahre ins All sublimiert, würde sich dieselbe Menge bei 210 Kelvin in nur 35 Tagen in Dampf auflösen. Dies erklärt, warum nur in Regionen ewigen Schattens Eis in Sonnennähe existieren kann.

Die Herkunft des Wassers ist aber noch ungeklärt. Die Anwesenheit organischen Materials lässt vermuten, dass wahrscheinlich Asteroiden und Kometen die Quellen von beidem sind. Sie transportieren leichtflüchtige Stoffe aus kälteren Regionen des Sonnensystems nach innen. Auf der Merkuroberfläche verdampfen diese Stoffe sofort und lagern sich dann in den kalten, schattigen Tälern ab, wo sie lange Zeit überstehen können. Die Forscher schätzen die Gesamtmenge an Eis auf einige Dutzend Milliarden bis hin zu einer Billion Tonnen. Genauere Angaben sind jedoch schwierig, da sich die Tiefe der Ablagerungen mit den derzeitigen Mitteln nur schwer abschätzen lässt.

Dirk Eidemüller

OD

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