Neuer Quanteneffekt in supraleitenden Nanodrähten
Stufen in der Strom-Spannungs-Kennlinie als Basis für einen neuen Stromstandard.
Die supraleitende Nanotechnologie ist ein sich schnell entwickelndes Gebiet mit vielversprechenden Anwendungen im Bereich der Quantentechnologien, wie supraleitende Quantenprozessoren auf Basis von Qubits mit Josephson-Tunnelkontakten. Ein internationales Team konnte nun unter Beteiligung des Leibniz-IPHT einen weiteren quantenmechanischen Effekt in Supraleitern nachweisen. Der Photonen-unterstützte kohärente Quanten-Phase-Slip-Effekt (CQPS) in einem supraleitenden Nanodraht zeigt sich in der Bildung von Stromstufen in der Strom-Spannungs-Kennlinie unter Einwirkung von Mikrowellenstrahlung.
Der CQPS-Effekt wurde vor mehr als dreißig Jahren theoretisch vorausgesagt und Hinweise auf Stromstufen dieser Art konnten bereits in kleinen Josephson-Kontakten beobachtet werden. Beim Wechsel von einem Josephson-Kontakt zu einem supraleitenden Nanodraht aus dünnen Schichten von hochwertigem Niobnitrid konnten die Forschenden nun scharfe und deutliche Stufen in der Strom-Spannungs-Charakteristik beobachten. Der demonstrierte Effekt kann für verschiedene Anwendungen genutzt werden, zum Beispiel für den Nachweis oder die Emission von Strahlung. Die wichtigste potenzielle Anwendung ist jedoch die Entwicklung eines metrologischen Stromstandards. Bei der ersten Stromstufe wird genau ein Cooper-Paar pro Periode der Mikrowellenstrahlung durch den Nanodraht übertragen.
Die Stromstufen entstehen durch quantenmechanisches Tunneln eines lokalisierten Magnetfelds, das einem einzelnen Flussquantum entspricht, quer durch den Nanodraht, was zu einem Phasensprung der Wellenfunktion der Cooper-Paare um 2π führt. Die mathematische Beschreibung des Phase-Slip-Tunnelns und der Bildung der Stromstufen ähnelt der der bekannten Shapiro-Spannungsstufen in Josephson-Kontakten, die derzeit in Josephson-Spannungsnormalen verwendet werden. Die mathematische Ähnlichkeit zwischen den beiden Effekten deutet darauf hin, dass das auf dem Phase-Slip-Effekt basierende Stromnormal auf die gleiche Weise realisiert werden kann wie das auf Shapiro-Stufen basierende Spannungsnormal.
Die neuen Erkenntnisse basieren auf einer Reihe von Experimenten, die an der Royal Holloway Universität London sowie am National Physical Laboratory simuliert und durchgeführt wurden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen, die den Erfolg der Experimente sicherten, war die Entwicklung und Herstellung hochqualitativer ultradünner Niobnitrid-Filme, die am Leibniz-IPHT in Jena realisiert wurden. Alle bisher existierenden und getesteten supraleitenden Materialien waren für diese Art von Experimenten nicht geeignet. Die theoretische Analyse wurde an der Aalto-Universität durchgeführt.
Die ultradünnen Niobnitrid-Schichten mit einzigartigen strukturellen und elektrischen Eigenschaften wurden mit Hilfe der Atomlagenabscheidung in enger Zusammenarbeit zwischen der Abteilung Quantensysteme und dem Kompetenzzentrum für Mikro- und Nanotechnologie des Instituts realisiert. Mehr als zehn Jahre Forschung an supraleitenden Niobnitrid-Nanoschichten ebneten den Weg für den Erfolg des demonstrierten Quantenexperiments. Das neuartige und einzigartige Verfahren zur Abscheidung von Niobnitrid-Schichten wurde am Institut entwickelt, um qualitativ hochwertige ultradünne Schichten herzustellen, die die von quantentheoretischen Ansätzen postulierten Eigenschaften eines ungeordneten Supraleiters bei extrem niedrigen Temperaturen zeigen.
IPHT / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. S. Shaikhaidarov et al.: Quantized current steps due to the a.c. coherent quantum phase-slip effect, Nature 608, 45 (2022); DOI: 10.1038/s41586-022-04947-z - Quantensysteme, Leibniz-Institut für Photonische Technologien IPHT, Jena
Weitere Beiträge
- Flussquanten im Nanodraht (Pro-physik.de Nachrichten, 31. Mai 2018)
- Physik Journal Dossier: Supraleitung