15.02.2021

Neuer Zugang zu dunkler Materie

Theorie mit fünfter Dimension liefert Kopplungen zwischen gewöhnlicher und dunkler Materie.

Theoretische Physiker des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) arbeiten an einer Theorie, die über das Standard­modell der Teilchen­physik hinausgeht und Fragen beantworten kann, bei denen das Standard­modell passen muss – etwa in Bezug auf die Massen der Elementarteilchen oder die Existenz der dunklen Materie. Zentrales Element der Theorie ist eine Extra­dimension in der Raumzeit. Bisher standen die Wissenschaftler vor dem Problem, dass die Vorhersagen ihrer Theorie nicht experimentell überprüfbar waren. 
 

Abb.: Matthias Neubert (Bild: W. Feldmann)
Abb.: Matthias Neubert (Bild: W. Feldmann)

Bereits in den 1920er-Jahren spekulierten Theodor Kaluza und Oskar Klein anlässlich ihrer Suche nach einer vereinheitlichten Theorie der Schwerkraft und des Elektro­magnetismus darüber, dass es neben den uns aus dem Alltag vertrauten drei räumlichen Dimensionen und der Zeit weitere Raum­dimensionen geben könnte. Diese wären allerdings winzig klein und für den Menschen nicht wahrnehmbar. In den späten 1990er-Jahren erlebte diese Idee eine bemerkenswerte Renaissance, als erkannt wurde, dass die Existenz einer fünften Dimension einige der offenen Fragen der Teilchen­physik beantworten kann. So haben etwa Yuval Grossman von der Universität Stanford und Matthias Neubert, zu dieser Zeit Professor an der Cornell Universität in den USA, in einer vielbeachtenden Arbeit gezeigt, dass durch die Einbettung des Standard­modells der Teilchen­physik in eine fünf­dimensionale Raumzeit die bis dahin mysteriösen Muster in den Massen der bekannten Elementar­teilchen erklärt werden können. 

Wiederum zwanzig Jahre später machte die Gruppe um Matthias Neubert, der seit 2006 an der JGU forscht und lehrt und dort Sprecher des Exzellenz­clusters PRISMA+ ist, eine weitere unerwartete Entdeckung: Die Forscher fanden heraus, dass die fünfdimensionalen Feld­gleichungen die Existenz eines neuen schweres Teilchens vorher­sagen, das sich ähnlich wie das Higgs-Boson des Standardmodells verhalten sollte, dessen Masse aber um ein Vielfaches schwerer ist – so schwer, dass es selbst am weltweit größten Teilchen­beschleuniger LHC am Europäischen Forschungs­zentrum CERN bei Genf nicht produziert und nach­gewiesen werden kann. „Es war wie verhext. Wir waren begeistert von der Idee, dass unsere Theorie die Existenz eines neuen Elementarteilchens vorhersagt, aber uns fehlte die Möglichkeit, diese Hypothese in absehbarer Zeit experimentell zu überprüfen“, erinnert sich Javier Castellano Ruiz, der als Doktorand in Mainz maßgeblich an den theoretischen Forschungen beteiligt ist. 

Nun haben die Physiker in ihrer aktuellen Veröffentlichung einen spektakulären Ausweg aus diesem Dilemma gefunden. Sie entdeckten, dass das von ihnen postulierte neue Teilchen zwangsläufig eine Wechsel­wirkung zwischen den bekannten Elementar­teilchen und der dunklen Materie vermittelt. Sogar die beobachtete Menge an dunkler Materie, die aus astro­physikalischen Beobachtungen bestimmt wurde, lässt sich im Rahmen ihrer Theorie erklären. Damit bieten sich interessante neue Möglichkeiten für die Suche nach den Bausteinen der dunklen Materie – sozusagen über den Umweg durch die fünfte Dimension – sowie Einblicke in die frühe Geschichte des Universums, während der die dunkle Materie produziert wurde. 

„Nach Jahren, in denen wir intensiv nach möglichen Bestätigungen unserer theoretischen Vorhersagen gesucht haben, sind wir nun zuversichtlich, dass der von uns entdeckte Mechanismus die dunkle Materie erklärt und dabei helfen wird, diese experimentell nachzuweisen. Denn die Eigenschaften der Wechsel­wirkung zwischen der sichtbaren und der dunklen Materie – die das von uns postulierte Teilchen vermittelt – werden von der Theorie präzise vorhergesagt“, so Matthias Neubert, der Leiter des Forscherteams. „Letztlich – so unsere Idee – wird sich das neue Teilchen zunächst nicht direkt, sondern über seine Wechsel­wirkung nachweisen lassen.“

JGU / DE

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