09.07.2015

Objekte und Daten aus dem Bildschirm ziehen

Die Form von Bildschirmen mit der Hand manipulieren – Forschungsprojekt GHOST entwickelt faszinierende neue Technologien.

Flachbildschirme sind zur Normalität geworden und wir verwenden sie den ganzen Tag – am Computer im Büro, mit dem Smartphone in der Bahn und als Fernsehgerät oder mit dem iPad abends auf dem Sofa. Unsere Welt ist allerdings nicht flach, sie besteht aus Hügeln und Tälern, Menschen und Gegenständen. Da liegt die Idee nahe, den Bildschirm mit der Hand zu verändern und Objekte in unsere dreidimensionale Welt ziehen. Mit genau dieser Idee wurde im Januar 2013 das EU-unterstützte Forschungsprojekt GHOST – Generic Highly-Organic Shape-Changing Interfaces – ins Leben gerufen: Es soll Benutzern erlauben, mit Computern und Mobilgeräten physische Objekte zu betrachten und zu bearbeiten.

Abb.: So könnte es aussehen: Benutzer zieht ein Objekt aus dem Bildschirm heraus. (Bild: GHOST)

„Das wird sich zukünftig auf alle möglichen Dinge auswirken, angefangen bei unserer täglichen Interaktion mit Mobiltelefonen bis hin zu E-Learning und Konstruktionsvorgängen“, erklärte Kasper Hornbæk von der Universität Kopenhagen, der Koordinator des Projekts. „Es geht nicht nur um die Umformung des Bild­schirms, sondern auch um das digitale Objekt, das bearbeitet wird, vielleicht sogar mitten in der Luft. Mit Technologie für Ultraschall-Levitation können wir beispielsweise die Anzeige aus dem Flachbildschirm herausprojizieren. Und dank umformbarer Bildschirme können wir sie mit den Fingerspitzen bearbeiten."

Ein solcher Durchbruch bei der Interaktion zwischen Benutzer und Tech­nologie ermöglicht es, Objekte und selbst Daten auf eine vollkommen neue Weise zu bearbeiten. Ein Chirurg könnte physisch an einem virtuellen Gehirn arbeiten, das sich genau wie ein echtes Gehirn anfühlt, bevor er eine richtige Operation durchführt. Konstrukteure und Künstler, die mit physischen Ersatzstoffen wie Ton arbeiten, könnten bei ihrer Arbeit Objekte gestalten, verändern und sie im Computer speichern. Die GHOST-Forscher arbeiten auch mit verformbaren Eingabegeräten wie Matten oder Schwämmen für Musiker, mit denen Klangfarbe, Geschwindigkeit und andere Parameter elektronischer Musik gesteuert werden können.

Das GHOST-Team konnte bereits eine Reihe von Prototypen herstellen, um Anwendungen für formwechselnde Technologie zu demonstrieren. „Emerge“ ist einer dieser Prototypen, bei dem die Daten eines Balkendiagramms mit den Fingerspitzen aus dem Bildschirm herausgezogen werden können. Informationen, wie beispielsweise Wahlergebnisse oder Nieder­schlags­muster, können dann neu angeordnet und nach Spalte, Zeile oder einzeln aufgeschlüsselt werden, um sie besser zu visualisieren. Die Forscher arbeiten darüber hinaus mit „Morphees“, flexiblen Mobilgeräten mit Displays aus Lycra oder Legierungen, die sich je nach Nutzung biegen und dehnen. Diese können automatisch ihre Form verändern, etwa um die Finger bei der Eingabe eines PIN-Codes zu verbergen. Solche Geräte ließen sich auch in der Hand vergrößern, um Daten genauer zu betrachten, und vor dem Einstecken wieder zurück in das Taschenformat bringen.

Einer der GHOST-Partner, die Universität Bristol, hat bereits ein Startup-Unternehmen namens UltraHaptics gegründet. Dort entwickeln zwölf Mitarbeiter eine im GHOST-Projekt erforschte Technologie, bei der Objekte mithilfe von Ultraschall direkt in der Luft ertastbar werden. Das Unternehmen konnte sich Gründungsinvestitionen in Großbritannien und eine weitere Finanzierung durch das Programm Horizont 2020 sichern. „Indem Partner zusammengebracht wurden, die ihre Entdeckungen untereinander austauschen können, führte GHOST schon zu deutlichen Fortschritten", so Hornbæk. „Displays, die bei Verwendung ihre Form verändern, sind wahrscheinlich nur noch fünf Jahre entfernt. Bis ein Smartphone eine Landschaft in 20 oder 30 Zentimetern Entfernung zum Display projizieren kann, wird es noch ein wenig länger dauern – aber wir arbeiten daran!“

CORDIS / RK

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