08.07.2016

Pendeln zwischen Pferden und Physik

Sollte er Gutsbesitzer werden oder Physiker? Diese Frage stellte sich dem Gesuchten im neuen Rätsel von Physik in unserer Zeit. Auf die Gewinner warten drei Buchpreise. 

Über Jahre hinweg schwankt er: Soll er in die Fußstapfen des Vaters treten und den Gutshof übernehmen? Schüchtern und introvertiert, wie er ist, versagt er indes schon beim Dealen mit dem Pferdehändler. Die Tradition will es, dass er hoch zu Ross lernt, wie man gesunde Kühe von kranken unterscheidet, und Tradition ist viel wert, da, wo er aufwächst. Als Erstgeborener ist er der wichtigste Spross, als Einzelkind doppelt wichtig. Seine Eltern geben ihm sechs Vornamen.

Weit jenseits der Elbe, in den Masuren im Osten des heutigen Polen, gedeihen nicht nur Weizen und Hafer, sondern auch in den Köpfen der Gutsbesitzer konservativ- bis rechts-nationales Gedankengut. Man empfindet sich als eine der Stützen der preußischen Monarchie; fünfzehn Jahre nach dem Tod des gesuchten Physikers wird unweit des elterlichen Guts die „Wolfsschanze“ errichtet, ein Bunker, von dem aus der Führungsstab der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg den Russlandfeldzug dirigiert.

In dieser Gegend erkennt der Gesuchte irgendwann, dass Landwirtschaft nicht sein Ding ist. Also doch irgend etwas mit Uni machen? Gutsherren halten nichts von akademischen Spinnereien. Und auch seine Schulausbildung weist Lücken auf, nur mit Unterstützung eines Nachhilfelehrers schafft er es, ein ehrwürdiges Gymnasium in Königsberg zu besuchen. Er studiert ein bisschen hier und da, unterbrochen von Reisen und langen Aufenthalten auf dem elterlichen Gut. Doch dann lernt er bei einem Semester in Berlin Hermann von Helmholtz kennen und steht erstmals in einem physikalischen Labor. Er ist angefixt.

Sein Leben ist fortan ein Pendeln zwischen Pferden und Physik. Helmholtz rät ihm, das Landgut zu übernehmen, doch der Gesuchte zieht nach Berlin und wird Helmholtz' Assistent an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin-Charlottenburg. Er promoviert und habilitiert sich; seine Forschungsthemen sind die elektromagnetische Strahlung und der Äther. Sechs Jahre später wird er außerordentlicher Professor in Aachen – wo er Philipp Lenard beerbt, der sich später wie der Gesuchte selbst später für eine „Deutsche Physik“ stark macht –, heiratet, zieht nach Gießen und dann nach Würzburg und schließlich nach München, wo er beide Male Nachfolger von Wilhelm Röntgen wird.

Zu diesem Zeitpunkt ist er als Physiker international bekannt, durch sein Verschiebungs- beziehungsweise „Strahlungsgesetz“, das man heute noch im Grundstudium lernt. Es bleibt sein wichtigster Beitrag für die Physik, immerhin genug für den Physik-Nobelpreis, in der zeitgenössischen Begeisterung für Strahlungs- und Quantenfragen.

Unterdessen beschäftigt er sich auch mit politischen Fragen, verhindert in München die Berufung eines jüdischen Kollegen und kämpft gegen bolschewistische Studenten. Das „Dritte Reich“ erlebt er nicht mehr – er stirbt überraschend nach einer Operation.

Andreas Loos, Berlin

Wer war der Physiker mit einem Hang zu Pferden? Schreiben Sie die Lösung auf eine Postkarte an: Physik in unserer Zeit, Wiley-VCH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, oder per Email an: thomas@buehrke.com. Absender bitte nicht vergessen! Einsendeschluss ist der 15.8.2016. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir verlosen drei Exemplare des Buches Physik im Alltag für Dummies von Wilhelm Kulisch.


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