05.08.2005

Politisierte Studenten

Deutschlands Studenten sind unzufrieden mit der Politik. Studiengebühren und BAföG treibt sie auf die Straßen.


Tübingen (dpa) - Die Protestwelle macht auch vor der vermeintlich heilen Welt nicht halt. Seit Monaten schwappt sie von Stadt zu Stadt: Deutschlands Studenten sind unzufrieden mit der Politik. Dabei brodelt es nicht nur in Metropolen, sondern auch in beschaulichen Universitätsstädten, etwa dem im reichen Baden-Württemberg liegenden Tübingen. Wie lange nicht mehr engagieren sich Studenten mit Streiks, Demonstrationen und Unterschriftenaktionen. «Was sie auf die Straße treibt, sind Studiengebühren und BAföG», sagt der Tübinger Studentensprecher Christian Berg. «Der Bundestagswahlkampf spielt eine Nebenrolle.»

In Tübingen griffen die Studenten vor einigen Wochen zum Spaten und rissen vor der Bibliothek «Löcher für die Bildung» in die Erde nach dem Motto «Studiengebühren graben uns das Wasser ab». Mit Bussen fuhren sie zu Parteiveranstaltungen, um für ihre Sache zu werben. Den Landesbildungsminister empfingen sie mit einem Pfeifkonzert. «Mit 1500 Demonstranten hatten wir in Tübingen in diesem Semester die größte Aktion seit dem Studentenstreik 1997», sagt Berg. Die Fachschaftsräte-Vollversammlung habe mit der Organisation alle Hände voll zu tun. Das Gremium macht in Tübingen die politische Studentenarbeit, da sich die Allgemeinen Studierendenausschüsse (AStA) in Baden-Württemberg seit 1977 nicht mehr politisch betätigen dürfen.

In ihren Protesten zeigten sich die Studenten auch andernorts kreativ. In Osnabrück hupten sie gegen Studiengebühren, in Gießen zelteten sie mit gleichem Ziel auf dem Campus. In Rostock rief der Studentenausschuss zu symbolischen Blutspenden auf. In Freiburg, Hamburg und Duisburg besetzten Studenten tagelang das Rektorat. Zu den Demonstrationen in Städten wie Stuttgart, Köln, Essen, Göttingen, Dresden und Halle kamen Tausende.

«Die Studenten sind derzeit so politisiert wie schon lange nicht mehr», sagt Nele Hirsch, Vorstandsmitglied im Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften, dem Dachverband der Studentenorganisationen in Deutschland. «Eine Initialzündung war sicherlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Januar, das Studiengebühren erlaubte», sagt Hirsch. «Allerdings sind in den vergangenen Jahren Wellen mit immer stärkerem Engagement feststellbar.» In den Universitäten werde wieder viel mehr über Bildungspolitik diskutiert. «Da bringen auch die Jugendorganisationen der Parteien ihre Positionen ein.»

Wahlkampf herrscht an den Hochschulen allerdings nicht. Denn es sind Semesterferien. «Bislang passiert wenig, in den Ferien ist es eben sehr schwierig, Aktionen zu machen», sagt Thilo Schmidt vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten. Auch Daniel Thürauf, Bundesgeschäftsführer der Juso-Hochschulgruppen, kündigt für die Semesterferien nur ein «dünnes Programm» an. «Wir machen aber eine Briefwahlkampagne, damit die Studierenden nicht zu wählen vergessen, wenn sie in den Urlaub fahren.»

In Tübingen, dessen Gassen stets spürbar leerer werden, wenn die knapp 25.000 Studenten keine Vorlesungen haben, gibt es an der Uni ebenfalls kaum Wahlkampf. Dafür ordnen Berg und seine Kollegen ihr Büro, in dem die Plakate mit Slogans wie «Bildung für umsonst» oder «Kostenlose Kindergartenplätze» im Regal liegen. Sie bereiten neue Aktionen vor - und träumen dabei manchmal von den wilden 68ern. Damals gab es in Tübingen Demonstrationen mit 15.000 Teilnehmern, die dazu beitrugen, dass die umstrittenen Kursgebühren abgeschafft wurden. Einige Aktionen erscheinen heute allerdings befremdlich. Berg sagt: «Der AK Schwarze Bohne klaute eine Tonne Kaffee und verkaufte ihn portionsweise, um mit dem Geld Waffen für Nicaragua zu beschaffen.»

Arno Schütze, dpa

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