Polymer-Oberflächen mit hochpräziser Druckerkennung
Neuartige Sensormaterialien sind fast so empfindsam wie menschliche Haut.
Menschliche Haut ist nicht nur so empfindlich, dass sie den sprichwörtlichen Schmetterlingsflügelschlag wahrnehmen kann. Sie ermöglicht auch eine räumliche Wahrnehmung von Drücken und Druckunterschieden – eine Fähigkeit, die für den menschlichen Tastsinn entscheidend ist. Vor allem in dieser Hinsicht war die Haut als biologisches Vorbild künstlichen Sensoren bisher klar überlegen. Das könnte sich durch neuartige Sensormaterialien von Forschern der Universitäten Bayreuth, Cambridge und Nijmegen bald ändern. Sie erreichen die bislang präziseste laterale Auflösung bei Sensormaterialien.
Abb.: Mechanoresponsive Polyelektrolytbürsten zeigen eine starke Korrelation zwischen lokaler Fluoreszenzintensität und lokalem Druck (PDMS: Polydimethylsiloxan). Die Antwort der Oberfläche auf mechanische Stimuli war vollständig reversibel und die Druckempfindlichkeit von unter 10kPa kommt derjenigen menschlicher Haut nahe. (Bild: Bünsow et al. / Angew. Chem., Wiley-VCH)
Grundelement der Sensormaterialien ist eine Oberfläche, auf der Polymere so verankert sind, dass eine Schicht mit der Struktur einer Bürste entsteht. In den Polymeren ist zusätzlich ein spezieller Farbstoff enthalten. Wird nun ein Druck auf die Schicht ausgeübt, so wird die Bürste komprimiert. Abhängig von der Stärke des ausgeübten Drucks, ändert der Farbstoff seine optischen Eigenschaften. Die Änderung dieser Eigenschaften – genauer gesagt: der Farbsignale – kann direkt mit einem Mikroskop gemessen und damit ausgelesen werden. Das Sensormaterial „übersetzt“ also verschieden starke Drücke in verschiedene Farbsignale. So entsteht im wahrsten Sinn des Wortes ein Abbild der Druckverteilung.
„Unser Ansatz ist insofern neu, als wir die Drucksensitivität direkt in den Materialeigenschaften verankert haben“, erklärt Andreas Fery vom Lehrstuhl Physikalische Chemie II der Universität Bayreuth. Konventionelle Drucksensoren basieren auf mechanischen Bauteilen wie Membranen, deren Änderung nicht unmittelbar sichtbar ist, sondern durch komplexere Verfahren ausgelesen werden muss. Unser Material ist hingegen so gestaltet, dass es über seine Farbeigenschaften Bescheid gibt, welcher Druck auf ihm lastet oder wie stark an ihm gezogen wird.
Die jetzt erreichte Sensitivität liegt im Bereich von Kilopascal, ist also mit menschlicher Haut vergleichbar. Die laterale Auflösung, also die räumliche Wahrnehmung, ist sogar um bis zu 50mal genauer: Weltrekord. „Um die Grenzen der Sensitivität des Materials auszutesten, haben wir eine spezielle Apparatur eingesetzt, die es erlaubt, gezielt ultrakleine Kräfte auf Oberflächen auszuüben und gleichzeitig die optische Antwort auszulesen. Der Aufbau ist deutschlandweit einzigartig“, erläutert der Bayreuther Physiker Johann Erath. Mit theoretischen Überlegungen haben die Forscher gesetzmäßige Abhängigkeiten zwischen der Stärke des ausgeübten Drucks und der optischen Antwort des Materials herausarbeiten können.
Mit diesen Forschungsergebnissen eröffnen sich Perspektiven für eine Vielzahl neuartiger Beschichtungen und technologischer Anwendungen. In der Grundlagenforschung interessiert man sich dafür, wie beispielsweise Zellen mit anderen Oberflächen wechselwirken oder weshalb Geckos an den Wänden laufen können. Für das Verständnis beider Prozesse ist eine räumliche Auflösung der Druckverteilungen von zentraler Bedeutung.
U. Bayreuth / OD