18.09.2024

Quantengravitation im Labor simulieren

Neues Verfahren könnte Vorhersagen der AdS/CFT-Korrespondenz experimentell testen.

Die theoretische Beschreibung der Gravitation stößt auf der Ebene der kleinsten Teilchen, der Quantenebene, an ihre Grenzen. „Um den Urknall oder das Innere schwarzer Löcher zu erklären, muss man die Quanteneigenschaften der Gravitation verstehen“, erklärt Johanna Erdmenger von der Uni Würzburg. „Bei sehr hohen Energien versagen klassische Gravitationsgesetze. Unser Ziel ist es deshalb, zur Entwicklung neuer Theorien beizutragen, die Gravitation auf allen Ebenen erklären können, auch auf der Quantenebene.“

Abb.: Darstellung der Theorie zur Modellierung der Quantengravitation.
Abb.: Darstellung der Theorie zur Modellierung der Quantengravitation. Das Gitter simuliert eine gekrümmte Raumzeit. In der Nähe des Randes ist das Gitter aufgrund der Krümmung dichter. Die miteinander wechselwirkenden elektrischen Signale (gelbe, rote und blaue Linien) im Innenraum simulieren die Gravitationsdynamik. Die Dynamiken im Innenraum und am Rand entsprechen sich. Sie sind im Einklang mit der AdS/CFT-Korrespondenz.
Quelle: J. Erdmenger, JMU / Böttcher, U. Alberta

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Modelle spielt die „AdS/CFT-Korrespondenz“, eine zentrale Theorie zur Quantengravitation. Sie ist bislang nicht experimentell nachgewiesen und besagt, dass sich komplexe Gravitationstheorien in einem hochdimensionalen Raum durch einfachere Quantentheorien auf der Randfläche dieses Raums beschreiben lassen. „AdS“ steht für „Anti-de-Sitter“, ein spezieller Typ Raumzeit, der nach innen gekrümmt ist, wie eine Hyperbel. „CFT“ steht für „Konforme Feldtheorie“, eine Theorie, die sich mit quantenphysikalischen Systemen beschäftigt, deren Eigenschaften bei allen räumlichen Abständen gleich sind.

„Das hört sich erst einmal sehr kompliziert an, ist aber einfach erklärt“, sagt Erdmenger. „Die AdS/CFT-Korrespondenz ermöglicht es uns, schwierige Gravitationsprozesse, wie sie in der Quantenwelt existieren, durch simplere mathematische Modelle zu verstehen. Im Mittelpunkt steht dabei eine gekrümmte Raumzeit, die man sich wie einen Trichter vorstellen kann. Die Korrespondenz besagt, dass die Quantendynamiken am Rand des Trichters den komplexeren im Inneren entsprechen müssen – ähnlich wie bei einem Hologramm auf einem Geldschein, das ein dreidimensionales Bild erzeugt, obwohl es selbst nur zweidimensional ist.

Gemeinsam mit ihrem Team hat Erdmenger jetzt eine Methode entwickelt, um Vorhersagen der AdS/CFT-Korrespondenz experimentell zu testen. Mithilfe eines verzweigten elektrischen Schaltkreises wird dabei eine gekrümmte Raumzeit nachgeahmt – die elektrischen Signale an den einzelnen Verzweigungspunkten des Schaltkreises entsprechen der Gravitationsdynamik, die man an verschiedenen Punkten innerhalb der Raumzeit vorfinden würde. Die theoretischen Berechnungen des Forschungsteams zeigen, dass auch im vorgeschlagenen Schaltkreis die Dynamik am Rand der nachgeahmten Raumzeit derjenigen im Inneren entspricht – und damit, dass eine zentrale Vorhersage der AdS/CFT-Korrespondenz durch den Schaltkreis realisiert werden kann.

Im nächsten Schritt will das Forschungsteam den Versuchsaufbau praktisch umsetzen. Neben bedeutenden Fortschritten in der Gravitationsforschung könnte das auch technologische Innovationen vorantreiben. „Unsere Schaltkreise eröffnen auch neue technische Anwendungen“, erklärt Erdmenger. „Zum Beispiel könnten sie auf Basis von Quantentechnologie elektrische Signale verlustfreier übertragen, weil die simulierte Krümmung des Raumes die Signale bündelt und stabilisiert. Das wäre ein Durchbruch zum Beispiel für die Signalübertragung innerhalb neuronaler Netze in der künstlichen Intelligenz.“

JMU / RK

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