22.08.2014

Quantenstrudel im Mikrotröpfchen

Kalte Helium-Tröpfchen zeigen extrem dicht gepackte, gitterförmige Quantenstrudel.

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von DESY-Forschern hat winzige Quantenstrudel in kalten Tröpfchen aus flüssigem Helium beobachtet. Die exotischen Strudel ordnen sich in den Nanotröpfchen zu dichtgepackten Gittern. Es ist das erste Mal, dass man die Quantenstrudel, die bereits in größeren Proben von sogenanntem supraflüssigen Helium gesichtet worden sind, in Nanotröpfchen nachweisen konnte. „Das Experiment hat unsere höchsten Erwartungen übertroffen“, betont Andrey Vilesov von der Universität von Südkalifornien, einer der drei Leiter des Experiments.

Abb.: Künstlerische Darstellung des Gitters aus Quantenstrudeln in einem supraflüssigen Tropfen (Bild: SLAC)

Das Edelgas Helium wird bei minus 269 Grad Celsius flüssig. Unterhalb von minus 271 Grad tritt ein Quanteneffekt auf, durch den das flüssige Helium jede innere Reibung verliert, es wird supraflüssig. In diesem exotischen Zustand kann es sogar Wände hinaufkriechen. Um die Dynamik von supraflüssigem Helium zu erkunden, haben die Forscher winzige Helium-Nanotröpfchen mit dem derzeit weltstärksten Röntgenlaser durchleuchtet, der Linac Coherent Light Source LCLS am US-Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien.

Die Herstellung der kalten Tröpfchen mit einem Durchmesser von nur 0,2 bis 2 Mikrometern war keine leichte Aufgabe. Die Wissenschaftler sprühten dazu flüssiges Helium durch eine feine Düse in eine Vakuumkammer. Im Flug verdunstete ein Teil des Heliums, und die Verdunstungskälte kühlte den Rest des Tropfens weiter. „Nach einer Flugstrecke von wenigen Millimetern hatten die Tropfen den supraflüssigen Zustand erreicht und wurden kurz darauf vom intensiven Blitz des Röntgenlasers getroffen", erläutert DESY-Forscher Daniel Rolles vom Center for Free-Electron Laser Science CFEL.

Die am Hamburger CFEL entwickelte Vakuum-Experimentierkammer mit dem Namen CAMP erlaubte dabei eine besonders detaillierte Aufzeichnung der Röntgen-Streubilder der Nanotröpfchen. „CAMP hat zwei große Detektoren, die noch einzelne Photonen registrieren und deren Energie sehr genau bestimmen können“, sagt Benjamin Erk vom CFEL. „Die Detektoren schaffen dabei Serienbilder mit 120 Aufnahmen pro Sekunde.“

„Die Analyse der Aufnahmen zeigte, dass überraschend viele Tropfen nicht wie erwartet kugelförmig waren, sondern durch schnelle Rotation stark in die Länge gezogen“, berichtet Rolles. „Tatsächlich besaßen manche Tropfen mehr die Form eines dicken Rades mit zwei fast parallelen Seiten.“ Die Rotation stammt von der Ausdehnung der Tröpfchen in der Düse, durch die sie in die Experimentierkammer gelangen. Die Tröpfchen rotierten bis zu 14 Millionen Mal pro Sekunde – weit schneller als ein normaler runder Tropfen es nach den Gesetzen der klassischen Physik aushalten könnte.

Durch die schnelle Rotation formten sich im Inneren der Nanotröpfchen winzige sogenannte Quantenstrudel, die an Miniaturausgaben des Strudels am Badewannenabfluss erinnern. Dieses Phänomen war bereits in größeren Einheiten von supraflüssigem Helium beobachtet worden, wurde in den Nanotröpfchen jetzt aber zum ersten Mal nachgewiesen. Wie bereits früher beobachtet, bilden die Strudel ein regelmäßiges Gitter. „In den Nanotröpfchen sind die Quantenstrudel überraschenderweise 100.000 Mal dichter gepackt als in größeren Proben supraflüssigen Heliums, die zuvor untersucht wurden", sagt Vilesov.

„Was wir in diesem Experiment beobachtet haben, ist wirklich überraschend“, betont Ko-Leiter Christoph Bostedt vom SLAC. Und Oliver Gessner vom Lawrence Berkeley Laboratory, dritter Ko-Leiter des Experiments, ergänzt: „Jetzt, da wir gezeigt haben, dass wir die Quantenrotation in Helium-Nanotröpfchen nachweisen und charakterisieren können, ist es wichtig, ihren Ursprung zu verstehen, und letztlich, sie zu kontrollieren."

DESY / DE

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