Rasante Schwingungen in Bornitrid
Quantenmaterial zeigt vielfältige Vibrationen nach Anregung mit infrarotem Licht.
Für das Quantenmaterial Bornitrid wurde jetzt erstmals nachgewiesen, dass ultraschnelle atomare Schwingungen innerhalb der Schichten – transversal optische Phononen – direkt an Bewegungen der Schichten gegeneinander koppeln. Für ein Zeitintervall von etwa zwanzig Pikosekunden bewirkt diese Kopplung eine Frequenzverschiebung der optischen Phononen und der zugehörigen optischen Resonanz. Dieses Verhalten ist eine genuine Eigenschaft des Quantenmaterials und von Interesse für Anwendungen in der Optoelektronik bei höchsten Frequenzen.
Hexagonales Bornitrid besteht aus Schichten, in denen Sechsringe aus gebundenen Bor- und Stickstoffatomen regelmäßig angeordnet sind. Zwischen benachbarten Schichten besteht eine wesentlich schwächere Kopplung über die van der Waals-Wechselwirkung. Schwingungen der Bor- und Stickstoffatome in einer Ebene besitzen mit rund vierzig Terahertz eine zehn- bis hundertfach höhere Frequenz als Bewegungen der Ebenen gegeneinander, die Scher- und Atmungsschwingungen. Über ein Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Bewegungen und ihre Lebensdauer nach optischer Anregung war bisher nahezu nichts bekannt. Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit haben ForscherInnen aus Berlin, Montpellier, Nantes, Paris und Ithaca detaillierte experimentelle und theoretische Ergebnisse zur Dynamik gekoppelter Phononen vorgelegt.
Die Phononen zeigen in einem Stapel von acht bis neun Bornitridschichten eine Lebensdauer von 1,2 Pikosekunden während Scher- und Atmungsschwingungen für etwa vierzig Pikosekunden angeregt bleiben. Diese Lebensdauern wurden in Pump-Probe-Experimenten mit Femtosekundenimpulsen direkt gemessen. Sie stimmen sehr gut mit theoretischen Berechnungen überein, die auf einer Analyse der Phonon-Zerfallskanäle beruhen. Die Anregung von Scher- und Atmungsschwingungen, die an die Phononen koppeln, führt zu einer charakteristischen spektralen Verschiebung der Phonon-Resonanz in den optischen Spektren. Die theoretische Analyse liefert die Kopplungsenergie zwischen den Schwingungen und zeigt, dass die entsprechende Kopplung in einem Bornitrid-Volumenkristall aus einer sehr hohen Zahl atomarer Schichten vernachlässigbar klein ist.
Das beobachtete gekoppelte Schwingungsverhalten ist damit eine spezifische Eigenschaft des Quantenmaterials. Die nach Anregung der Phononen beobachtete Verschiebung ihres Reflexionsspektrums stellt ein nichtlinear-optisches Verhalten dar, das sich mit moderaten optischen Leistungen hervorrufen lässt. Es ist von Interesse für optoelektronische Anwendungen im Giga- bis Terahertz-Frequenzbereich, etwa für optische Schalter und Modulatoren.
MBI / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Kang et al.: Ultrafast nonlinear phonon response of few-layer hexagonal boron nitride, Phys. Rev. B 104, L140302 (2021); DOI: 10.1103/PhysRevB.104.L140302 - Nichtlineare Prozesse in kondensierter Materie, Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, Berlin