08.01.2014

Schlieren gegen Hubschrauberlärm

Mit Hilfe der Hintergrund-Schlieren-Methode gehen DLR-Forscher den Ursachen des aerodynamischen Rotorlärms auf den Grund.

Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus Göttingen und Braunschweig haben erstmals die Hauptursache für den Lärm eines fliegenden Hubschraubers sichtbar gemacht. Dafür führten sie teils abenteuerliche Flugexperimente durch – zuletzt in einem Steinbruch im Harz. Mit den gewonnenen Erkenntnissen eröffnen sich Möglichkeiten, Hubschrauber künftig deutlich leiser zu machen.

Abb.: Der Hubschrauber befindet sich im vertikalen Steigflug. Die Wirbel sind als dunkle Linien abgebildet und maximal eine volle Umdrehung sichtbar. Die Abgasstrahlen sind als verrauschte Fläche zu sehen. (Bild: DLR)

Dass ein Hubschrauber senkrecht starten und landen kann, verdankt er seinem Rotor. Dieser ist allerdings auch für den Lärm im Flug verantwortlich. „Fast alles, was man von einem Hubschrauber hört, ist aerodynamischer Lärm. Ein großer Teil davon entsteht durch die sogenannten Blattspitzenwirbel“, sagt Markus Raffel, Leiter der Abteilung Hubschrauber im DLR Göttingen. Blattspitzenwirbel entstehen am äußeren Ende eines Rotorblattes. Auf der Oberseite bildet sich ein Unterdruck, auf der Unterseite ein Überdruck.

Die Luft wird hierdurch beschleunigt und hinter der Rotorblattspitze entsteht ein konzentrierter Wirbel. „Der Lärm entsteht dadurch, dass der Wirbel eines Rotorblattes mit einem anderen Rotorblatt kollidiert“, erklärt André Bauknecht, der die aktuellen Versuche leitete. Diese Wirbel verursachen nicht nur das typische „Teppichklopfer-Geräusch“, sondern führen auch zu Vibrationen im Hubschrauber und verringern den Komfort der Passagiere.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher ein bekanntes Phänomen: An einem heißen Sommertag fängt die Luft über manchen Straßenstellen an zu flimmern. Grund dafür sind Schwankungen in der Dichte der Luft. Dadurch bricht sich das Licht und ist vor einem passenden Hintergrund als Schliere sichtbar. Aus dieser Erkenntnis entwickelte Raffel mit seinen Kollegen die sogenannte Hintergrund-Schlieren-Methode (Background Oriented Schlieren Method, kurz BOS). Diese wird heute in aerodynamischen Versuchsanlagen in aller Welt eingesetzt.

Abb.: Die Manöver des Hubschraubers mussten eng mit den Kameraaufnahmen koordiniert werden. (Bild: DLR)

Im vergangenen Jahr führten die DLR-Wissenschaftler dann eine Reihe einzigartiger und teils abenteuerlicher Experimente durch, um die neue Messmethode im Flug zu testen. Dabei bedienten sich die Göttinger Forscher eines Tricks: Sie nutzten in der Natur vorhandene Hintergrundflächen, um die Rotorwirbel sichtbar zu machen. „Ein passender Hintergrund muss möglichst fein strukturiert und gleichmäßig sein – und wir haben geschaut, wo in der Natur solche Flächen vorhanden sind“, sagt Bauknecht.

Bei einem Versuch flog ein Hubschrauber vom Typ Cougar der Schweizer Luftwaffe vor einem Jahr vor einem felsigen Hintergrund in den Alpen. Bereits bei diesem Test gelang eine Premiere: Erstmals waren auf Bildern eines fliegenden Helikopters die Rotorwirbel so gut zu sehen, dass sich daraus wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen ließen. Bei anderen Versuchen flog der DLR-Forschungshubschrauber BO 105 über Felder und Wiesen bei Salzgitter und Braunschweig und wurde dabei aus einem Ultraleichtflugzeug fotografiert.

Vor kurzem fand das neueste Experiment statt: Die BO 105 flog in einen Steinbruch im Harz – für einen Hubschrauber eine gefährliche Umgebung. Enger Raum und Manöver dicht über dem Boden stellten an die DLR-Testpiloten höchste Ansprüche. Teilweise mussten in lediglich zehn Metern Höhe Wippmanöver geflogen werden. Als Hintergrund diente das lose Geröll des Abraumhanges. Der Aufwand lohnte sich: Zehn Kameras an verschiedensten Positionen lieferten so gute Aufnahmen, dass die Forscher erstmals einen Großteil der Rotorwirbel eines fliegenden Hubschraubers sogar dreidimensional sichtbar machen konnten. Die Versuche fanden in dem Kalksteinbruch Winterberg der Fels-Werke GmbH bei Seesen statt.

In einem nächsten Schritt sollen Flugversuche mit einem mit Messtechnik ausgestatteten Hubschrauber stattfinden. Dann könnten sich die aufgenommenen Wirbel direkt mit den Steuereingaben des Piloten abgleichen lassen. Bereits jetzt ist absehbar, dass die DLR-Messtechnik Potential hat, ein wichtiges Hilfsmittel für die Industrie zu werden. Blattspitzenwirbel und ihre Kollision mit nachfolgenden Rotorblättern könnten durch anders geformte Rotorblätter oder eine geänderte Rotorsteuerung verringert werden. „Hubschrauberhersteller könnten dann verschiedene Rotorblätter unter realistischen Bedingungen vergleichen und das leisere auswählen“, sagt André Bauknecht. So könnten sie künftig komfortablere und leisere Hubschrauber konstruieren.

DLR / DE

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