25.08.2009

Schmiergeld für Doktortitel

Missbrauch der Promotion sollte keinen Platz in der deutschen Wissenschaft haben.

  

Missbrauch der Promotion sollte keinen Platz in der deutschen Wissenschaft haben.

Bundesweit stehen rund 100 Professoren wegen des Verkaufs von Doktortiteln im Visier der Justiz. Ihnen werde vorgeworfen, möglicherweise nicht geeignete Kandidaten als Doktoranden angenommen zu haben, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld am Sonntag und bestätigte Medienberichte. Bislang ist nicht bekannt, ob auch Promotionen im Fach Physik betroffen sind. Ein „Institut für Wissenschaftsberatung" in Bergisch Gladbach soll den Hochschullehrern dafür Schmiergelder gezahlt haben. Ermittler hatten bereits im März 2008 den Sitz des Instituts durchsucht.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan sagte, sollte der Verdacht der Ermittler sich bestätigen, entstände der Wissenschaft ein großer Schaden. „Solches Verhalten würde die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft zutiefst diskreditieren", teilte sie in Berlin mit. Der Deutsche Hochschulverband forderte schärfere Regeln für Promotionen. Sinnvoll sei eine eidesstattliche Versicherung, dass die Promotion ohne unerlaubte Hilfe entstanden sei, sagte Geschäftsführer Michael Hartmer dem Sender MDR Sputnik. „Das hätte abschreckende Wirkung."

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, erklärte: „Die Universitäten haben im Rahmen der HRK hochschulübergreifende Qualitätsstandards für das Promotionsverfahren entwickelt. Sie sichern die Eigenständigkeit der Forschungsleistung des Doktoranden, die Kern der Promotion ist. Auf dieser Grundlage ist die deutsche Promotion international höchst anerkannt. Diese Reputation darf durch kriminelle Machenschaften nicht beschädigt werden. Sollten Verstöße gegen diese Standards in dem einen oder anderen Fall auftreten, so muss die Staatsanwaltschaft zügig ermitteln."

„Wir haben nach der Razzia eine Unmenge an Material ausgewertet", sagte Oberstaatsanwalt Feld. „Dabei hat sich der konkrete Verdacht gegen die jetzt Beschuldigten ergeben." Bei ihnen handelt es sich um Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen. Die meisten Verdächtigen seien keine sogenannten ordentlichen Professoren, sondern Aushilfsprofessoren oder Privatdozenten. Sie sollen ihre Dienstpflichten verletzt haben, wonach sie Doktoranden unentgeltlich betreuen müssen. Außerdem sei die freie Auswahl der Promotionsstudenten durch die Geldzahlungen womöglich beeinträchtigt worden.

Bislang ist nicht bekannt, ob auch Promotionen in der Physik betroffen sind. Gerd-Ulrich Nienhaus, Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Physik und Vorstandsmitglied der Deutschen Physikalischen Gesellschaft für das Ressort „Bildung und wissenschaftlicher Nachwuchs“ kann sich das allerdings „überhaupt nicht vorstellen“ und begründet gegenüber pro-physik: „In der Physik sind die Doktoranden ja üblicherweise per Vollzeitbeschäftigung über mehrere Jahre in die Forschung eingespannt. Diese harte Art der Promotion wäre für Leute, die den Doktorgrad quasi 'en passant' erwerben wollen (oder Vermittlungsagenturen) vermutlich nicht interessant.“

Die Bergisch Gladbacher Wissenschafts-Beratungsfirma hatte bundesweit mit Anzeigen in Zeitungen und Fachzeitschriften für die Vermittlung von Doktortiteln geworben. Den Promotionswilligen wurde versprochen, einen geeigneten Professor zu suchen und bei der Themenfindung behilflich zu sein. Dafür mussten die Kandidaten jeweils bis zu 20 000 Euro an das Institut zahlen. Für die Übernahme eines Promotionskandidaten sollen bis zu 4000 Euro illegal vom Institut an die Professoren geflossen sein.

„In manchen Medien wird der Eindruck erweckt, die Kunden des Instituts hätten gar keine Doktorarbeiten geschrieben", erklärte Feld. „Das stimmt so nicht. Es geht nur um die Frage, ob die Professoren bei der Auswahl ihrer Kandidaten bestochen wurden." Es werde noch einige Zeit dauern, bis die zahlreichen Ermittlungsverfahren in diesem Fall abgeschlossen sind, betonte Feld. „Die müssen nach und nach abgearbeitet werden, die Geldflüsse müssen nachvollzogen werden. Zum Schluss werden wir einzeln entscheiden, ob wir das Verfahren einstellen oder ob wir einen Strafbefehl oder eine Anklage fertigen."

Nach einem Bericht des „Focus" sollen unter anderem Lehrkräfte von Hochschulen in Frankfurt, Tübingen, Leipzig, Rostock, Jena, Bayreuth, Ingolstadt, Hamburg, Hannover, Bielefeld, Hagen, Köln und die Freie Universität Berlin betroffen sein. Die Staatsanwaltschaft wollte zu den Orten und einzelnen Beschuldigten zunächst keine Angaben machen.

Das Hildesheimer Landgericht hatte den Geschäftsführer des Instituts bereits im vergangenen Juli wegen Bestechung zu dreieinhalb Jahren Haft und 75 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Er hatte in insgesamt 61 Fällen promotionswillige Kandidaten an einen Jura- Professor der Universität Hannover vermittelt und ihm dafür Honorar gezahlt. Oft erfüllten die Bewerber gar nicht die Voraussetzungen. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision im Mai verworfen.

dpa/HRK/SJ/KP

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