20.04.2015

Schnell und effizient schalten

Galliumnitrid-Schalter als Basis für energiesparende, kompakte und leichte Leistungskonverter.

Strom kommt aus der Steckdose – aber kaum ein elektrisches Gerät verträgt die normale Netzspannung. Computer, Smartphones, LED-Lampen und Ladegeräte können mit elektrischer Energie in dieser Form nichts anfangen: Die Netzspannung muss von Wechsel- in Gleichstrom umgewandelt werden. Auch der umgekehrte Weg ist notwendig, etwa bei Invertern für Solarmodule. Als Schlüsselbauelemente fungieren dabei Energiewandler mit Leistungs-Schalttransistoren. Im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen EU-Verbund­projekts HiPoSwitch haben Forscher aktive Halbleiter entwickelt, die solche Wandler weitaus effizienter als bisher und gleichzeitig blitzschnell schalten können. In dem Projekt ist es gelungen, selbstsperrende Galliumnitrid-Leistungstransistoren bis zum Prototypen zu entwickeln.

Abb.: Galliumnitrid-Schalttransistoren auf Siliziumwafer. (Bild: FBH)

Energiekonverter, die diese neuartigen GaN-Transistoren nutzen, können die Verluste gegenüber existierenden Technologien halbieren und ermöglichen eine Konversions­effizienz von 98 Prozent und mehr. Konsequent umgesetzt, kann damit viel Primärenergie gespart werden. „In Europa werden jährlich mehr als 3.000 Terawattstunden Strom erzeugt“, erklärt Joachim Würfl vom Ferdinand-Braun-Institut, der Leiter des HiPoSwitch-Projekts. „Konvertiert man nur ein Viertel der in Europa jährlich erzeugten Elektrizität auf ein anderes Level und erhöht dabei den Wirkungsgrad um zwei Prozent, lassen sich dadurch mindestens zwei Kohlekraftwerke einsparen.“

Das Halbleitermaterial Galliumnitrid vereint optimale physikalische Parameter. „GaN-Bauteile sind deshalb sehr effiziente und sehr schnelle Leistungsschalter. Und das aufgrund ihres niedrigeren Einschalt­widerstandes ohne signifikante Einschaltverluste“, betont Würfl,. Eine höhere Schaltfrequenz bedeutet zugleich, dass die passiven Elemente der Energiekonverter, also Spulen und Kondensatoren, wesentlich kleiner dimensioniert werden können – eine deutliche Verbesserung auf der Systemseite. GaN wird bereits seit Längerem für Mikrowellen-Transistoren verwendet und in feinsten Schichten meist auf Siliziumcarbid-Substraten aufgebracht. „Das funktioniert gut, ist aber zu teuer für den Massenmarkt. Als Alternative kann die auf SiC entwickelte Technologie auf deutlich kostengünstigere, aber technologisch anspruchsvollere Siliziumsubstrate übertragen werden“, so Würfl.

Die Entwicklungen im HiPoSwitch-Projekt liefen Hand in Hand zwischen den Kooperationspartnern. Am Ferdinand-Braun-Institut gelang es, die Prozessierung von GaN-Schalttransistoren auf SiC und Si so zu optimieren, dass nahezu ideal funktionierende Bauelemente möglich wurden. Die Basis dafür schafften umfassende Untersuchungen zu Drift- und Degradations-Effekten an den Universitäten Padua und Wien Die fertig prozessierten Transistorchips wurden schließlich bei Infineon in Malaysia in induktivitäts­arme ThinPAK-Gehäuse montiert. Der einzelne Transistor darin misst nur 4,5 × 2,5 Millimeter und ist optimiert darauf, 600 Volt zu schalten. Er hat einen Einschaltwiderstand von 75 Milli-Ohm und liefert eine maximale Stromstärke von 120 Ampere. Wir sind derzeit die Einzigen in Europa, die solche Normally-off-Transistoren herstellen können“, sagt Würfl.

Das belgische Unternehmen EpiGaN übernahm zusammen mit dem Anlagenhersteller Aixtron die Epitaxie auf Si – damit sinken die Kosten für die Substrate um mehr als den Faktor 10. Zugleich erhöhten sie den Wafer-Durchmesser auf sechs und acht Zoll, ein notwendiger Schritt in Richtung einer kostengünstigen industriellen Fertigung. Der Chiphersteller Infineon im österreichischen Villach passte schließlich die neu entwickelte GaN-­Technologie auf eine Si-Prozesslinie für die industrielle Produktion von Leistungshalbleitern an.

Teile des Projekts hatten aber auch einen ausgesprochen „explorativen Charakter“, wie Würfl es nennt, mit Blick auf komplett neue, bisher nicht erprobte Techniken und Verfahren zur Realisierung von GaN-Leistungs­transistoren. Gemeinsam mit Kollegen der Uni Wien und der Akademie der Wissenschaften in Bratislava gelang es, erfolgversprechende Konzepte für künftige Halbleitergenerationen zu testen.

Am Ende der Wertschöpfungskette stand die Firma Artesyn Austria als Systempartner. Sie entwickelte einen 3-kW-Telecom-Rectifier für Mobilfunk-Basisstationen. Dieser konvertiert die Netz-Wechselspannung in Gleich­spannung mit einem Wirkungsgrad von 98 Prozent. Dazu wurde eine spezielle, auf die Eigenschaften von GaN-Schalttransistoren angepasste Schaltungstopologie entwickelt und realisiert. Dank ihrer hohen Verbreitung ist der Markt für energiesparende Leistungskonverter riesig. Mit ihnen können zusätzlich Volumen und Gewicht reduziert werden, und das macht sie auch für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt hoch attraktiv.

FVB / RK

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