Schnelle Entmagnetisierung mit Femtosekundenlaser sichtbar gemacht
Freie-Elektronen-Laser FLASH zeigt überraschenden Effekt bei ferromagnetischen Stoffen.
Forscher der TU Berlin, des DESY und der Universität Paris haben im Rahmen einer internationalen Kollaboration am Freie-Elektronen-Laser FLASH einen überraschenden Effekt bei der Entmagnetisierung von ferromagnetischen Stoffen entdeckt. Elektronen können sich dabei blitzschnell zwischen Bereichen mit verschiedener Magnetisierung hin- und herbewegen und so die Entmagnetisierung des Materials beeinflussen, fand das Forscherteam um Stefan Eisebitt von der Technischen Universität Berlin heraus. Dieser Effekt könnte bei der Verkleinerung von magnetischen Speichern eine entscheidende Rolle spielen. „Optische Demagnetisierung ist das mit Abstand schnellste Verfahren, um lokal die Magnetisierung zu ändern, und diese wiederum ist die Grundlage von magnetischer Datenspeicherung“, erklärt Eisebitt. „Optische Verfahren könnten deshalb helfen, magnetische Speicher zukünftig schneller zu machen.“
Abb.: Die Magnetkraftmikroskop-Aufnahme einer 10µm mal 10µm großen Probe zeigt die Labyrinth-artige Struktur der magnetischen Domänen. (Bild: B. Pfau)
Auf die Spur gekommen sind die Forscher dem Effekt bei Experimenten zu einem Phänomen, das schon seit fast 20 Jahren bekannt ist: Ferromagnete, zum Beispiel magnetisiertes Eisen, lassen sich durch Einstrahlung von Laserlichtpulsen extrem schnell entmagnetisieren. In wenigen 100 Femtosekunden (eine Femtosekunde, 10-15 s, ist der milliardste Teil einer millionstel Sekunde) bricht die Magnetisierung zusammen, und der Ferromagnet wird unmagnetisch. Die Magnetisierung baut sich dann nach einiger Zeit wieder auf. Bei der Untersuchung dieses Prozesses am Röntgenlaser FLASH sind die Forscher jetzt einem weiteren Mechanismus auf die Spur gekommen, der zur Entmagnetisierung führt. Er tritt in dem – sehr häufigen – Fall auf, dass das Material in magnetische Domänen aufgeteilt ist. „Beim Beschuss mit Laserlicht können freigesetzte Elektronen, die durch das Material flitzen, die Domänengrenzen überwinden und sozusagen ‚die Seite wechseln’. So gelangen sie aus einer Domäne in eine andersherum magnetisierte Domäne. Dort tragen Sie dazu bei, die lokale Magnetisierung zu zerstören“, erklärt Nachwuchswissenschaftler und Erstautor der Veröffentlichung Bastian Pfau von der TU Berlin. „Auf diese Weise entsteht in Materialien mit nanometer-kleinen Domänen eine zusätzliche Möglichkeit der Demagnetisierung, sobald die Elektronen durch den Laserbeschuss beweglicher werden.“ Ein solches Wechselspiel zwischen zwei magnetischen Domänen wurde zwar bereits vermutet, ist bisher aber nie beobachtet worden.
Voraussetzung für diese Art der Entmagnetisierung ist, dass das Grundmaterial in magnetische Domänen aufgeteilt ist – der Normalfall bei Ferromagneten. So besteht ein unmagnetisierter Eisenstab aus vielen mikroskopisch kleinen Bereichen, innerhalb derer die Magnetisierung zwar gleich ausgerichtet ist; die Magnetisierung dieser Minibereiche zueinander ist jedoch beliebig. Wird der Eisenstab magnetisiert, zum Beispiel indem von außen ein magnetisches Feld angelegt wird, dann richten sich die Magnetfelder der einzelnen Domänen parallel aus; der Eisenstab insgesamt wird magnetisch. „Das magnetische Moment wird dabei zu großen Teilen durch den Spin, die Eigenrotation, der Elektronen getragen“, erklärt Leonard Müller, einer der DESY-Forscher, die an der Untersuchung beteiligt waren. „Die beweglichen Elektronen können daher einen Teil der Magnetisierung durch die Probe transportieren und insbesondere an Domänengrenzen zu Veränderungen führen.“
Abb.: Bei Einstrahlung eines Laserpulses können die angeregten Elektronen (violett und pink mit verschiedenen Spins) in eine anders magnetisierte Domäne (grün-rot) wechseln und so zur Entmagnetisierung des Materials beitragen. Durch Elektron-Elektron-Stöße erhöht sich zusätzlich die Zahl der sogenannten „heißen“ Elektronen. (Bild: B. Pfau)
Die Experimente führten die Forscher, die außer von der TU Berlin und DESY vom Helmholtz Zentrum Berlin, den Universitäten Hamburg und Paris sowie sechs weiteren Forschungseinrichtungen kommen, an DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg durch. Sie untersuchten Proben aus einem Kobalt-Platin-Schichtsystem, das winzige Labyrinth-ähnliche magnetische Domänen enthält. Die Arbeitsgruppe löste zunächst mit einem extrem kurzen Puls eines Infrarotlasers die Entmagnetisierung der Probe aus. Nach einer „Wartezeit“ von einigen hundert Femtosekunden wurde dann mit Hilfe des Röntgenlaserlichts von FLASH die aktuelle Magnetisierung der Probe analysiert. „Mit seinen ultrakurzen Röntgenblitzen von unter hundert Femtosekunden Dauer ist FLASH in der Lage, dabei gleichzeitig auch kleinste Veränderungen in der Größe und den Eigenschaften der magnetischen Domänen festzustellen“, erklärt Christian Gutt von DESY.
Diese sogenannten „Anrege-Abfrage“-Experimente (engl.: „Pump-Probe“), bei denen ein System zunächst angeregt wird, um eine bestimmte Zeit später danach abgefragt zu werden, können extrem schnelle Zeitabläufe von chemischen oder physikalischen Änderungen einer Probe aufzeichnen. Allerdings müssen dafür zwei gepulste Femtosekundenlaser exakt miteinander synchronisiert und beide genau auf dieselbe Stelle der winzigen Probe fokussiert werden. „Ultrakurze Röntgenpulse wie die von FLASH können dabei wegen ihrer kurzen Wellenlänge auch Änderungen in nur wenigen Nanometer großen Strukturen nachweisen“, sagt Jan Lüning von der Universität Pierre und Marie Curie in Paris.
In den Untersuchungen des Forscherteams zeigte sich nun, dass die anfänglich scharfen Grenzen zwischen unterschiedlichen Domänen kurze Zeit nach dem Infrarot-Laserpuls „verschmiert“, also unscharf werden – die Grenzen zwischen verschieden magnetisierten Domänen verbreitern sich, da die Elektronen die Domänengrenzen durchstoßen. Dies wurde sichtbar, indem die kurz nach der Anregung auf die Probe auftreffenden „Abfrage“-Röntgenpulse des FLASH-Beschleunigers von den magnetischen Domänen etwas schwächer aus ihrer Flugrichtung abgelenkt wurden als zuvor. Umfangreiche Simulationen der Elektronenbewegung bestätigten, dass diese Beobachtung mit einem theoretisch vorhergesagten Mechanismus der Entmagnetisierung durch einen Domänenwechsel durch Elektronen erklärbar ist.
„Unsere Forschungen zeigen, dass die Lage und Dichte magnetischer Domänengrenzen das Demagnetisierungsverhalten beeinflussen kann“, erklärt Stefan Eisebitt. „Das liefert einen neuen Ansatz, um zukünftig durch den gezielten Aufbau magnetischer Nanostrukturen schnellere und kleinere magnetische Datenspeicher zu entwickeln.“
DESY / DE