Schwingungen den Schwung nehmen
Neues Dämpfungssystem nutzt dielektrische Elastomere und intelligente Regelung.
Wo große Bewegungen ausgeglichen werden müssen, sind Elastomere in ihrem Element. Sie federn passiv Stöße bei Fahrzeugen ab und reduzieren Schwingungen in Maschinen. Aber sie können noch mehr als das, wie Forscher des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF zeigen konnten. Sie haben diese elastischen Komponenten smarter gemacht und ihnen beigebracht, sich aktiv zu verformen. Dazu nutzt das Institut dielektrische Elastomere (DE). Das sind weiche Materialien, die sich unter hohen elektrischen Spannungen verformen – und das prädestiniert sie für den Aufbau von Aktoren. Gegenüber Piezoaktoren haben sie den Vorteil, vergleichsweise große Dehnungen bei geringeren Kräften zu erreichen.
Abb.: Schnittdarstellung der aktiven Isolationseinheit mit 100 DE-Schichten. (Bild: Fh.-LBF)
Diese Fähigkeit haben die Wissenschaftler des Fraunhofer LBF genutzt und ein Konzept für DE-Aktoren entwickelt, das mit metallischen, gelochten Elektroden arbeitet. Dank der gelochten Struktur kann das Elastomer bei anliegendem elektrischem Feld lokal in diese Mulden entweichen. Dieses Konzept eignet sich für den Aufbau von dynamischen, lasttragenden Aktoren und soll in Zukunft den Umfang der Funktionen konventioneller Elastomerelemente erweitern. Darauf aufbauend hat das Fraunhofer LBF einen Funktionsdemonstrator zur aktiven Lagerung entwickelt. Mit dem aktiven Elastomerlager erweitert das Institut sein Leistungsangebot in der Schwingungstechnik.
Die Wissenschaftler entkoppelten eine auf dem Aktor gelagerte Masse von den Schwingungen des Untergrunds. Bei passiven Lagern wäre es unvermeidbar, dass sich die Amplitude der Schwingungen in der Resonanz spürbar überhöht. Nicht so bei der neuartigen aktiven Lagerung: Sie mindert die Schwingung im gesamten relevanten Frequenzbereich. Die sonst nachteilige charakteristische Aktornichtlinearität, also die zur angelegten Spannung nicht exakt proportionale Auslenkung, konnten die Forscher durch neue regelungstechnische Ansätze umgehen. Mit Hilfe von nicht-ganzzahligen Potenzfunktionen kann das nichtlineare Verhalten kompensiert und können unerwünschte Effekte vermieden werden.
Das am Fraunhofer LBF entwickelte Design eignet sich für die Lagerung schwingungsanfälliger Geräte und Prozesse wie beispielsweise empfindlicher Mikroskope oder präziser Fertigungsverfahren. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Maschinen wie beispielsweise Pumpen oder Motoren lassen sich durch die aktiven Lagerungen schwingungstechnisch entkoppeln, sodass der Schwingungseintrag in die Umgebung minimiert wird. Sollte die Elektronik einmal ausfallen, bleiben die günstigen passiven Eigenschaften des Elastomers für die Lagerung weiterhin erhalten – ein deutlicher Vorteil im Vergleich zu anderen Aktortechnologien.
Bislang ist es eine typische Aufgabe von passiven Elastomerbauteilen, in großen Stückzahlen und in zahlreichen Anwendungen Schwingungen zu reduzieren. Durch die aktiven LBF-Komponenten steigt das Potential zur Schwingungsminderung erheblich. Neben den aktorischen Ansätzen lassen sich darüber hinaus auch sensorische Funktionen integrieren. Damit kann man zum Beispiel die im Betrieb über das Lager laufende Kraft und die vom Lager aufgenommene Bewegung überwachen.
Für das neuartige aktive Elastomerlager sind Anwendungen im Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau sowie beispielsweise als Brücken- und Gebäudelagerungen denkbar. Auch den Umweltaspekt haben die LBF-Forscher berücksichtigt: Grundwerkstoff im Funktionsdemonstrator ist der nachwachsende Rohstoff Naturkautschuk. Im Gegensatz zu elektrodynamischen oder piezoelektrischen Aktoriken kommen keine Metalle seltener Erden oder bleihaltige Keramiken zum Einsatz. Bislang konnte das Fraunhofer LBF gute Ergebnisse mit den Funktionsdemonstratoren erzielen. Allerdings müssen diese bislang aufwendig von Hand aufgebaut werden. Um eine seriennahe Produktionstechnik umzusetzen, ist das LBF auf der Suche nach Partnern.
Fh.-LBF / DE