Sehr schwach wechselwirkende dunkle Materie
Neue Ergebnisse des XENON100-Experiments engen erlaubten Bereich für dunkle Materie ein.
Neue Ergebnisse des XENON100-Experiments engen erlaubten Bereich für dunkle Materie ein.
Kosmologische Beobachtungen zeichnen in konsistenter Weise ein Bild unseres Universums, in dem die gewöhnliche uns bekannte Materie nur etwa 17% ausmacht, während die übrigen 83% aller Materie, in einer bislang unbeobachteten Form – der Dunklen Materie – vorliegt. Dies entspricht sehr gut Erwartungen aus notwendigen Erweiterungen des Standardmodells der Elementarteilchen, welche die Existenz perfekter Kandidaten für Dunkle Materie vorhersagen: WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles), also schwere Teilchen (etwa die Masse von Atomkernen), die nur schwach wechselwirken. Ein weiterer Hinweis rührt aus der Tatsache, dass die berechnete Häufigkeit solcher aus dem Urknall stammenden Teilchen der geforderten Menge Dunkler Materie entspricht.
Abb.: Das Diagramm zeigt die Wahrscheinlichkeit für die Wechselwirkung eines WIMP mit normaler Materie (vertikale Achse) gegenüber seiner Masse (horizontale Achse). Der Bereich oberhalb der blauen Kurve ist durch die neuen XENON100-Daten ausgeschlossen. Die grau schattierten Bereiche sind Vorhersagen supersymmetrischer Theorien unter Einbeziehung jüngster Einschränkungen vom LHC. (Bild: XENON-Kollaboration)
Der „WIMP-Wind“ von Teilchen in unserer Galaxie kann gelegentlich an einem Atomkern in einem erdgebundenen Detektor streuen und so einen Energiebetrag freisetzen, der nachgewiesen werden kann. Das XENON100-Experiment im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor nutzt als Target 62 kg Xenon in flüssiger Form bei einer Temperatur um –90°C. Untergebracht ist das Experiment im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor (LNGS), wo 1400 m Fels kosmische Strahlung abschirmen. Der weiteren Abschirmung radioaktiver Strahlung aus dem Detektor selbst und seiner Umgebung dienen Schichten aktiver und passiver um das Target herum angeordneter Absorber. Diese beinhalten 100 kg Xenon-Flüssigszintillator, 2,1 t ultrareines Kupfer, 1,6 t Polyethylen und 34 t Blei und Wasser. Für die Detektorkomponenten wurden nur radiochemisch hochreine Materialien verwendet, um eine strahlungsarme Umgebung zu gewährleisten.
Teilchen, die innerhalb des Flüssigkeitsvolumens streuen, erzeugen mittels Ionisation ein Primärsignal ultravioletten Lichts bei 178 nm. Die dabei freigesetzten Elektronen driften zur Flüssigkeitsoberfläche und erzeugen nach Beschleunigung im dort gelegenen Xenon-Gasvolumen ein verzögertes, sekundäres Lichtsignal. Durch die Messung beider Signale durch Photodetektoren ober- und unterhalb der Apparatur kann sowohl die Energie, als auch die räumlichen Position des Ereignisses bestimmt werden und die gesuchten WIMP-Ereignisse von Hintergrundereignissen unterschieden werden.
Die letzte Messreihe startete im Januar 2010 und 100 Tage Datennahme aus dieser Reihe wurden nun analysiert. Insgesamt drei Kandidaten wurden im dem Parameterbereich, in dem ein WIMP-Signal erwartet würde, gefunden. Dies ist in statistischer Übereinstimmung mit dem radioaktiven Untergrund, von dem zwei Ereignisse erwartet werden. Ein Signal für Dunkle Materie liegt somit nicht vor und es ergibt sich eine Obergrenze an die Wechselwirkungsstärke mit normaler Materie.
Die nächste Detektorgeneration ist schon in Planung: XENON1T soll 1000 kg flüssiges Xenon als Targetmasse nutzen und mit weiteren Reduktionen des radioaktiven Untergrunds hundertmal sensitiver sein als XENON100.
MPIK / KK