Selten, aber mit Potenzial
Ionisationspotenzial von Astat mit Lasersystem spektroskopisch bestimmt.
Das radioaktive Element Astat, dessen Namen sich aus dem griechischen Wort für instabil ableitet, ist auf der Erde rar und kaum erforscht. Dem Mainzer Physiker Sebastian Rothe ist es nun anhand von künstlich erzeugtem Astat erstmals gelungen, das Ionisationspotenzial zu ermitteln und damit eine der wichtigsten Eigenschaften des seltenen Elements zu bestimmen. Die Messungen wurden am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf mit speziellen Lasern der Mainzer Arbeitsgruppe LARISSA durchgeführt.
Abb.: Blick in das Mainzer Lasersystem (Bild: P. Naubereit)
Astat ist das seltenste Element, das auf der Erde natürlich vorkommt. Abschätzungen zufolge hat es einen Anteil am Erdmantel von nur 0,07 Gramm. Es gehört zur Gruppe der Halogene und entsteht beim natürlichen Zerfall von Uran. Kernphysikalisch sind heute mehr als zwanzig Isotope bekannt, die aber alle extrem kurzlebig sind und mit einer Halbwertszeit von höchstens acht Stunden zerfallen. Dabei emittieren sie Alphastrahlung , was das Element in Verbindung mit seiner Kurzlebigkeit für die gezielte Krebstherapie besonders interessant macht. „Astat ist das einzige Halogen, über das wir bisher überhaupt nichts wussten“, so Klaus Wendt, LARISSA-Leiter am Institut für Physik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Rothe hat als Doktorand dieser Arbeitsgruppe das Ionisationspotenzial von Astat untersucht und den Wert mit 9,31751 eV ermittelt. Er führte die Messungen am CERN in Genf durch und bestätigte sie am kanadischen Forschungszentrum für Teilchen- und Kernphysik TRIUMF in Vancouver.
LARISSA steht für „Laser-Resonanz-Ionisation für Spektroskopie in selektiven Anwendungen“. Das Verfahren baut auf Arbeiten auf, die Ernst Otten vor rund dreißig Jahren am Isotopen-Massenseparator ISOLDE am CERN durchgeführt hat. Mittlerweile kommt es in nahezu allen Großforschungseinrichtungen weltweit in der Produktion und Untersuchung exotischer Radioisotope zum Einsatz, vorrangig unter Verwendung der Mainzer Lasersysteme. Dabei wird das äußerste Valenzelektron eines Atoms mit Laserlicht stufenweise optisch bis zur Ionisation angeregt und die angeregten Zustände werden gemessen.
Abb.: Detailaufnahme des aktiven Lasermediums (Bild: Pascal Naubereit)
„Astat ist das letzte natürlich vorkommende Element, dessen Ionisationspotenzial bisher noch nicht experimentell bestimmt war“, so Rothe. Die Bindungsenergie des äußersten Elektrons bestimmt die chemischen Reaktionen, an denen ein Element teilnimmt, und damit auch die Stabilität der chemischen Bindungen. Von pharmazeutischer Seite besteht großes Interesse am Astat-Isotop 211. Von Vorteil für einen etwaigen Einsatz in der Krebstherapie wären seine Zerfallseigenschaften, die Aggressivität der Alphastrahlung, die kurze Reichweite der Strahlung und die Zugehörigkeit zur Gruppe der Halogene, die sich gut in den Körper einschleusen lassen, um direkt an den Krebszellen anzudocken.
JGU / CT