28.11.2013

Simulierbares Modell für exotische Quantenphänomene

Neue Beschreibung für das Auftreten des Fraktionellen Quanten-Hall-Effekts in Gittersystemen.

Es ist faszinierend, wie das quantenmechanische Verhalten von Teilchen im Mikrokosmos zu seltsamen Eigenschaften führen kann, die sich sogar in der klassischen Welt bemerkbar machen. Ein Beispiel dafür ist der Fraktionelle Quanten-Hall-Effekt (FQH), der vor rund dreißig Jahren an Halbleiter-Bauelementen entdeckt wurde. Heutzutage sind Experimentalphysiker in der Lage, Effekte, die in der Festkörperphysik auftreten, mit ultrakalten Atomen in optischen Gittern zu modellieren. Diese Möglichkeiten wecken das Interesse an der Frage, unter welchen Bedingungen sich der FQH in diesen Systemen beobachten lässt. Wissenschaftler vom MPI für Quantenoptik und der Universidad Autónoma de Madrid haben nun ein neues Gittermodell entwickelt, das ein FQH-ähnliches Verhalten zeigt.

Abb.: Illustration des Gittermodells, in dem sich jedes Teilchen entweder in dem Zustand Spin up oder Spin down befindet. (Bild: A. Nielsen, MPQ)

Bereits 1980 untersuchte Klaus von Klitzing die elektronische Struktur von flachen Halbleitertransistoren bei extrem tiefen Temperaturen und extrem hohen Magnetfeldern. Dabei machte er die Beobachtung, dass der Hall-Widerstand mit steigendem Magnetfeld nicht linear, sondern stufenweise anstieg, wobei der Wert jeder Stufe umgekehrt proportional zum Vielfachen einer Kombination aus bestimmten Naturkonstanten war. Einige Jahre später deckten Messungen an Bauteilen aus Galliumarsenid unter ähnlichen Bedingungen zusätzliche Plateaus auf, die Bruchteilen dieses Vielfachen entsprachen. Beide Phänomene sind von fundamentaler Bedeutung, geben sie doch völlig neue Einblicke in diese quantenmechanischen Prozesse.

Wenn einzelne oder mehrere Elektronen mit den magnetischen Flussquanten des Feldes zusammengesetzte Zustände bilden, führt dies zum FQH. Genauere experimentelle Untersuchungen dieses Zustandes gestalten sich jedoch schwierig, zumal er sehr empfindlich auf Störungen reagiert. Mit optischen Gittern, in denen Atome die Rolle von Elektronen spielen, ließe sich das Phänomen sehr viel sauberer darstellen.

„Wir haben eine neues Gittermodell entwickelt, an dem der FQH-Zustand beobachtet werden sollte“, sagt Anne Nielsen vom MPQ. „Dabei gehen wir von einem zweidimensionalen Gitter aus, an dem jeder Platz mit einem Teilchen besetzt ist. Jedes Teilchen ist durch seinen sogenannten Spin charakterisiert, der entweder nach oben oder nach unten zeigt. Außerdem besteht zwischen den Teilchen eine lokale Wechselwirkung mit kurzer Reichweite.“ Numerische Untersuchungen ergaben, dass die Eigenschaften und die Topologie des Systems dem Verhalten entsprechen, das man für einen FQH-Zustand erwartet. So bilden sich Korrelationen über große Entfernungen aus, die zu der Entstehung von zwei verschiedenen Grundzuständen des Systems führen, wenn man periodische Randbedingungen berücksichtigt.

Die hier verwendeten mathematischen Werkzeuge haben ein breites Anwendungsgebiet und öffnen damit die Perspektive für die Entwicklung weiterer interessanter Modelle. „Der Mechanismus, der hier zur Ausbildung des FQH führt, unterscheidet sich offenbar von den Mechanismen früherer Modelle“, erklärt Anne Nielsen. „Außerdem haben wir gezeigt, wie sich das Modell mit ultrakalten Atomen in optischen Gittern im Experiment realisieren ließe. Dadurch ergäben sich einzigartige Möglichkeiten, diese fragilen Zustände unter kontrollierten Bedingungen experimentell zu untersuchen, was einen Meilenstein für Quantensimulationen bedeuten würde.“

MPQ / AH

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