13.09.2013

Smartphones als Geigerzähler

Eine App ermöglicht es, Smartphones als Anzeigegerät für radioaktive Strahlung zu nutzen und so auch für Lehrzwecke zu verwenden.

Strahlenunfälle wie Tschernobyl und Fukushima sowie die Diskussion über die Endlagerung radioaktiver Stoffe machen das Thema zivilisatorische Radioaktivität allgegenwärtig. Die App RadioactivityCounter eröffnet die Möglichkeit, Smartphones sowohl als Anzeigegerät für solche Strahlung als auch für Lehrzwecke in Schule und Universität zu verwenden.

Das Messgerät für die radioaktive Strahlung in Smartphones ist der Kamerasensor. Dieser CCD- oder CMOS-Chip besteht aus mehreren Millionen Sensorzellen, welche die Bildpunkte (Pixel) der Fotos oder Videos bilden. Dabei ist jede Sensorzelle eine nur wenige Mikrometer kleine pn-Diode. Deren Halbleiterübergang ist strahlungsempfindlich und beim Eintreffen der radioaktiven Strahlung wird ein weißes Pixel erzeugt. Der Kamerasensor kann somit von der Funktionsweise her mit einem Halbleiterdetektor verglichen werden.

Um Smartphone-Kameras als Strahlendetektoren nutzen zu können, ist es zunächst nötig, die Kameralinse beispielsweise mit Gewebeklebeband, schwarzem Kartonstreifen oder Alufolie lichtdicht abzudecken. Damit kann kein einfallendes Licht das Erfassen von Strahlungspartikeln verfälschen. Als nächstes wird eine geeignete App benötigt, die das Bild des Kamerasensors auswertet und Rückschlüsse auf die Strahlungsstärke erlaubt. Das hier vorgestellte Programm RadioactivityCounter ist sowohl für iOS als auch für Android basierte Smartphones erhältlich, wobei sich beide Versionen in einzelnen Elementen wie Startbildschirm, Kalibrierfunktion oder Export deutlich unterscheiden. Wir beziehen uns hier auf die Android-Version.

Einen ersten Versuch kann man mit einem Glühstrumpf ausführen. Diese Netze werden beispielsweise zur Lichterzeugung in Gaslampen verwendet und sind wegen ihres Thoriumgehalts teils leicht radioaktiv. Man legt nun das Smartphone oder den Tablet-PC einfach auf den Glühstrumpf, wobei sich die verdeckte Kameralinse möglichst dicht an dem Objekt befinden sollte. Danach kann der Messvorgang durch Betätigen der Taste „start log“ der App gestartet werden. Nach Anlegen der Protokolldatei (Log-Datei) beginnt die eigentliche Messung.

Wegen der relativ schwachen Aktivität ist eine Messdauer von fünf bis zehn Minuten nötig. Mit dem Samsung Galaxy Tab 2 7.0 erhielten wir bei einer Messdauer von zehn Minuten eine Zählrate von 33 pro Minute. Danach kann durch Betätigen der Taste „stop log“ die Protokollierung der Zählraten gestoppt werden. Dadurch wird jedoch nicht die eigentliche Messung unterbrochen. Die App erfasst weiterhin Impulse und rechnet sie in die dargestellte absolute Zählrate mit ein (Abbildung).

Benutzeroberfläche des RadioactivityCounter (Android): Hauptmenü (oben) und erweitertes Menu (unten).

Aus diesem Grund sollte die Protokollierung durch die Log-Datei möglichst zum Beginn einer neuen Minute gestoppt und gegebenenfalls die absolute Zählrate mit der Gesamtmessdauer direkt abgelesen und in einer Tabelle festgehalten werden. Zum Vergleich sollte man dann die Nullrate in Abwesenheit jeglicher radioaktiver Quellen messen. Dazu müssen zunächst mithilfe der Schaltfläche „clear“ die alten Messwerte aus dem Zwischenspeicher gelöscht werden, bevor man wie oben beschrieben eine neue Messung startet.

Nach einer Messzeit von etwa zehn Minuten wird in unserem Beispiel eine Zählrate von 13 pro Minute angezeigt. Für den Glühstrumpf ergibt sich damit eine effektive Aktivität von 20 pro Minute. Zur genaueren Untersuchung der jeweils aufgenommenen Zählwerte können die Log-Dateien auf einen PC übertragen und beispielsweise mit einem Tabellenkalkulationsprogramm ausgelesen werden (Statistik-Button, c in der Abbildung).

Somit können Smartphones qualitativ zum Nachweis ionisierender Strahlung verwendet werden. Allerdings eignen sie sich unter anderem wegen der geringeren Sensitivität nicht für quantitative Aussagen, beispielsweise zur Bestimmung der Dosisleistung insbesondere im schwach strahlenden Bereich (Dosisleistung unter 1-10 µGy/h) und im Bereich alltäglicher Umgebungsstrahlung.

Trotz der Einschränkung erlauben die Geräte aber die experimentelle Verifizierung physikalischer Gesetzmäßigkeiten radioaktiver Strahlung. So lassen sich das Absorptionsgesetz von Gamma- und Betastrahlung, die Halbwertszeit radioaktiver Präparate und die Ablenkung von Betastrahlung in Magnetfeldern mit definierten Experimentierbedingungen und handelsüblichen radioaktiven Präparaten von Lehrmittelherstellern (beispielsweise Cs-137 oder Sr-90) mit zufriedenstellender Genauigkeit experimentell untersuchen. Damit eignen sich solche Geräte durchaus für Lehr- und Lernzwecke in Schule und Hochschule. 

Mehr über die Handhabung und die Menümöglichkeiten erfahren Sie in dem Originalartikel in der neuen Ausgabe von Physik in unserer Zeit , den wir bis zum 27. September zum freien Download anbieten. 

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