22.09.2016

Sonnenzyklus von Planeten mitbestimmt?

Resonante Gezeitenkräfte von Venus, Erde und Jupiter könnten die Sonnenaktivität direkt beeinflussen.

Viele Fragen zum Magnetfeld der Sonne sind noch offen. „Wie bei der Erde auch, haben wir es mit einem Dynamo zu tun. Durch Selbst­erregung entsteht das Magnetfeld quasi aus dem Nichts, wobei die komplexe Bewegung des leitfähigen Plasmas als Energie­quelle dient“, so der Physiker Frank Stefani vom Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Für den Alpha-Omega-Dynamo sind zwei gekoppelte Effekte verantwortlich: Der Omega-Effekt beruht auf der unterschiedlich schnellen Rotation des heißen Plasmas, aus dem die Sonne besteht. So bildet sich ein Magnet­feld in Form zweier Ringe nördlich und südlich des Äquators. Aus diesen wiederum erzeugt der Alpha-Effekt ein Magnetfeld, das entlang der Längen­kreise der Sonne verläuft. Wo und wie genau der Alpha-Effekt entsteht, gilt als ungeklärt.

Abb.: Die Sonnenaktivität wird vom Magnetfeld der Sonne bestimmt. Haben die Gezeitenkräfte von Venus, Erde und Jupiter direkten Einfluss darauf? (Bild: NASA / SDO)

Der Sonnendynamo unterliegt einem regelmäßigen Zyklus. Etwa alle elf Jahre polt sich das Magnetfeld der Sonne um; mit derselben Periode durchläuft die Sonnen­aktivität ein Maximum. Dieses zeigt sich an der Zunahme der Sonnen­flecken – dunklen Stellen auf der Sonnen­oberfläche, die von stark konzentrierten Magnet­feldern herrühren.

„Interessanterweise stehen alle 11,07 Jahre die Sonne und die Planeten Venus, Erde und Jupiter etwa auf einer Linie. Wir haben uns gefragt: Ist es Zufall, dass der Sonnenzyklus mit dem Zyklus von Konjunktion beziehungsweise Opposition der drei Planeten zusammenfällt?“, führt Stefani aus. Dabei ist die Frage­stellung selbst keineswegs neu. Bisher konnten Wissenschaftler jedoch keinen physikalisch plausiblen Mechanismus dafür identifizieren, wie die sehr schwachen Gezeiten­wirkungen von Venus, Erde und Jupiter den Sonnen­dynamo beeinflussen könnten.

„Auch wenn man einer Schaukel immer nur einen kleinen Schubs gibt, kommt sie mit der Zeit immer mehr in Schwung“, erläutert Frank Stefani das Prinzip der Resonanz. Er und sein Team fanden in aktuellen Berechnungen heraus, dass der Alpha-Effekt unter bestimmten Bedingungen zu Schwingungen neigt. „Die Anregung dieser Alpha-Oszillationen benötigt fast keine Energie. Dafür könnten die Gezeiten der Planeten als Taktgeber ausreichen.“ Für dieses Mitschwingen des Sonnen­dynamos spielt die sogenannte Tayler-Instabiltität eine entscheidende Rolle. Sie entsteht immer dann, wenn ein genügend starker Strom durch eine leitfähige Flüssigkeit oder ein Plasma fließt. Ab einer bestimmten Stärke erzeugt die Wechsel­wirkung des Stroms mit seinem eigenen Magnetfeld eine Strömung – im Falle der riesigen Sonne mit turbulentem Charakter.

Nach allgemeiner Auffassung beruht der Sonnendynamo auf einem Zusammen­spiel zweier Induktions­mechanismen. Weitgehend unstrittig ist der Omega-Effekt, der in der Tachokline entsteht. So heißt ein schmales Band zwischen der inneren Strahlungs­zone der Sonne und den äußeren Bereichen, in denen Konvektion stattfindet, also Wärme über die Bewegung des heißen Plasmas transportiert wird. In der Tachokline treffen unterschiedlich schnell rotierende Bereiche aufeinander. Diese differentielle Rotation generiert das sogenannte toroidale Magnetfeld in Form zweier nördlich und südlich des Sonnen­äquators gelegener „Rettungs­ringe“.

Große Unklarheiten bestehen hinsichtlich der Lage und Ursache des Alpha-Effektes, der aus dem Toroidal­feld ein Poloidalfeld erzeugt – letzteres verläuft entlang der Längengrade der Sonne. Einer weit verbreiteten Theorie zufolge hat der Alpha-Effekt seinen Ursprungs­ort in der Nähe der Sonnen­flecken, also an der Sonnen­oberfläche. Die Dresdner Forscher haben einen alternativen Ansatz gewählt, der den Alpha-Effekt mit der Rechts- oder Links­händigkeit der Tayler-Instabilität in Zusammenhang bringt. Die Tayler-Instabilität wiederum entsteht aufgrund der stark aufgewickelten Toroidal­felder im turbulenten Gebiet der Tachokline. „Damit können wir im Prinzip auch den Alpha-Effekt in der Tachokline verorten“, sagt Frank Stefani.

Nun haben die HZDR-Forscher erstmals Belege dafür gefunden, dass die Tayler-Instabilität auch zwischen Rechts- und Links­händigkeit hin- und herpendeln kann. Das Besondere: Der Umschlag erfolgt faktisch ohne Änderung der Strömungs­energie. Dadurch reichen schon sehr kleine Kräfte aus, um eine Schwingung des Alpha-Effektes anzuregen. „Unsere Berechnungen zeigen, dass planetare Gezeiten­kräfte hier wie winzige Taktgeber von außen wirken. Die etwa alle elf Jahre angestoßene Oszillation des Alpha-Effektes könnte die Umpolung des Magnet­feldes der Sonne bewirken und letztlich den 22-Jahres-Zyklus des Sonnen­dynamos bestimmen“, so der Physiker.

Die Wissenschaftler rund um Frank Stefani beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Magnetfeldern im Kosmos und auf der Erde. So ist es ihnen als erster Gruppe weltweit gelungen, sowohl die Tayler- als auch die Magneto-Rotations-Instabilität im Labor­experiment nachzuweisen. Im Jahr 1999 waren die Spezialisten für Magneto­hydro­dynamik zudem am erstmaligen Nachweis des homogenen Dynamo­effektes in Riga beteiligt.

„Interessanterweise sind wir auf die Tayler-Instabilität im Rahmen unserer Forschung zu neuartigen Flüssigmetall-Batterien gestoßen, die zurzeit als mögliche preiswerte Speicher für die stark fluktuierende Sonnen­energie untersucht werden“, erklärt Frank Stefani. Das Grundprinzip einer Flüssigmetall-Batterie ist äußerst einfach. Sie besteht aus zwei unterschiedlich schweren, flüssigen Metallen – den Elektroden –, die nur durch eine dünne Salzschicht getrennt sind. Die Vorteile: ein extrem schneller Ladungs­vorgang, eine zumindest theoretisch unendliche Anzahl von Ladungs­zyklen sowie geringe Kosten, wenn es denn gelingt, eine Batterie in Quadrat­meter­größe herzustellen. „Für diese Batterien stellt die Tayler-Instabilität eine ernst­zunehmende Gefahr dar, weil sie unweigerlich dann auftritt, wenn die Zellen größer und größer werden. Ohne gewisse technologische Tricks, die wir bereits patentiert haben, würde die Tayler-Instabilität die stabile Schichtung der Batterie zerstören“, fügt Stefani hinzu.

HZDR / DE

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