20.02.2018

Spieglein, Spieglein

Neues Verfahren ermittelt Chiralität von Molekülen mit hoher Effizienz.

Nicht nur beim Menschen ist die Frage wichtig, ob jemand Rechts- oder Links­händer ist. Je nachdem, mit welcher Hand wir etwas greifen, umschließen unsere Finger ein Objekt im Uhrzeiger­sinn oder gegen ihn. Auch in der Welt der Moleküle ist die Händigkeit von großer Bedeutung. Bei Molekülen ist die Eigenschaft, eine bevorzugte Händigkeit zu haben, sogar noch viel wichtiger als beim Menschen: Denn bestimmte Substanzen können je nachdem, ob sie rechts- oder links­händig vorliegen, entweder giftig oder heilsam sein. Manche Medikamente dürfen deshalb nur entweder links- oder rechts­händige Moleküle enthalten.

Abb.: Durch einen ultrakurzen, zirkular polarisierten Laserpuls folgen die Elektronen einer spiralförmigen Rechts- oder Linksdrehung, die von der Händigkeit der Moleküle abhängt. (Bild: S. Beaulieu)

Das Problem dabei liegt darin, rechts- und links­händige Moleküle, die sonst völlig identisch sind, nach ihrer Chiralität zu identifizieren und zu trennen. Denn außer bei Kontakt mit einem anderen chiralen Stoff verhalten sie sich völlig gleich. Ein internationales Forscher­team hat nun ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich die Händigkeit von Molekülen mit extremer Empfindlichkeit bestimmen lässt.

Seit dem 19. Jahrhundert ist bekannt, dass Moleküle in unterschiedlicher Händigkeit vorliegen können. Bekanntestes Beispiel ist das Erbgut, wie etwa menschliche DNA, dessen Struktur einem rechts­drehenden Korkenzieher entspricht. Zur Bestimmung der Händigkeit nutzt man üblicherweise zirkular polarisierte Licht­strahlen, die entweder rechts- oder links­drehende elektro­magnetische Felder aufweisen. Dieses chirale Licht wird etwas besser oder schlechter absorbiert, wenn es auf Moleküle mit gleichem oder umgekehrtem Drehsinn trifft. Der Effekt ist jedoch klein, da die Wellenlänge von Licht sehr viel größer ist als die atomaren Abstände in Molekülen. Das Licht „spürt“ den Drehsinn der Moleküle also nur ganz schwach.

Mit der neuen Methode lässt sich das Signal aber enorm verstärken. „Der Trick besteht darin, die Moleküle mit einem sehr kurzen Laserpuls zu bestrahlen“, sagt Olga Smirnova, Leiterin der Theorie­gruppe am Max-Born-Institut. Solch ein Puls ist nur rund 100 Femto­sekunden lang und überträgt Energie auf die Elektronen im Molekül. Das regt sie für kurze Zeit zu Schwingungen an. Da sich die Elektronen in der rechts- oder links­händigen Struktur des Moleküls befinden, nimmt auch ihre Schwingung diesen Drehsinn an.

Die Schwingung lässt sich dann mit einem zweiten Laserpuls auslesen. Dieser Puls muss ebenfalls kurz sein, um die Richtung der Elektronen­bewegung registrieren zu können. Er hat so viel Energie, dass er die angeregten Elektronen aus dem Molekül herausschlägt. Je nachdem, ob die Elektronen rechts- oder links­händig orientierte Schwingungen vollführten, fliegen sie dann entweder in Richtung des Laser­strahls aus dem Molekül oder in umgekehrter Richtung.

Bei Experimenten am „Centre for Intense Lasers and Applications“ (CELIA) der Universität Bordeaux konnte auf diese Weise sehr effizient die Händig­keit der Moleküle bestimmt werden, und zwar mit einem 10.000-fach stärkeren Signal als mit der üblicher­weise genutzten Methode. Außerdem lassen sich so chirale chemische Reaktionen einleiten und über die Zeit verfolgen. Das Kunststück besteht darin, sehr kurze Laserpulse mit der passenden Frequenz bereitzustellen. Diese Technologie ist erst seit Kurzem verfügbar. Sie könnte sich auch für andere Bereiche als äußerst hilfreich erweisen, bei denen die Händigkeit von Molekülen eine Rolle spielt, etwa für die chemische und pharma­zeutische Forschung.

Da die Identifikation der Händigkeit von Molekülen mit der neuen Methode gelungen ist, denken die Wissenschaftler bereits darüber nach, auch ein Laser-Trenn­verfahren für rechts- und links­händige Moleküle zu entwickeln.

FVB / DE

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