07.08.2014

„Spin-Krise“ gelöst?

Nicht nur Quarks, sondern wohl vor allem Gluonen tragen zum Spin der Protonen bei.

Protonen und Neutronen sind Bausteine aller Atomkerne und damit aller Materie. Sie setzen sich ihrerseits aus kleineren Teilchen zusammen, jeweils drei Quarks, die keine eigene innere Struktur aufweisen und durch sogenannte Gluonen aneinander gebunden werden. Das Proton besitzt außerdem einen Spin, von dem Physiker lange annahmen, dass er in erster Linie von den Quarks verursacht wird. 1987 jedoch ergab ein Experiment an der Großforschungseinrichtung CERN, dass der Spin des Protons nur zu einem kleinen Teil durch die Spins der Quarks entsteht und die Teilchenphysik stürzte in die „Spin-Krise“.

Abb.: Helizitätsverteilung der Gluonen (Bild: D. de Florian et al.)

Nun haben Wissenschaftler der Universität Tübingen erstmals festgestellt, dass den Gluonen eine wichtige Rolle zukommt und sie möglicherweise den Hauptanteil des Spins tragen. Der Spin des Protons bildet zum Beispiel auch die Grundlage für die Kernspintomografie, mit der man detaillierte Aufnahmen aus dem Körperinnern erhält.

Marco Stratmann und Werner Vogelsang vom Institut für Theoretische Physik der Universität Tübingen und ihre Kollegen Daniel de Florian und Rodolfo Sassot von der Universidad de Buenos Aires, Argentinien, stützten sich bei ihren Untersuchungen auf neue experimentelle Daten des Teilchenbeschleunigers RHIC in den USA, an dem man Protonen zur Kollision bringt. Gluonen tragen maßgeblich zu diesen Kollisionen bei. So konnten die Wissenschaftler in umfangreichen computergestützten Studien die Spinverteilung von Gluonen im Proton bestimmen.

In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftler nun, dass die Gluonen eine wichtige Rolle für den Protonenspin spielen und möglicherweise den bislang unerklärten Rest des Spins tragen. „Auch wenn noch weitere Daten und Analysen notwendig sein werden, um den Ursprung des Spins detailliert zu verstehen und die experimentellen und theoretischen Unsicherheiten zu reduzieren, ist dieses neue Ergebnis ein wichtiger Fortschritt“, sagt Marco Stratmann. „Nach mehr als 25 Jahren zeichnet sich endlich eine Lösung für die Spin-Krise ab, und wir können das Proton, das so fundamental wichtig für den Aufbau aller Materie ist, wieder etwas besser verstehen.“

U. Tübingen / DE

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