Spinat und Nanodiamant
Hochsensible Magnetfeldsensoren aus Nanodiamanten messen den Bluteisenwert zuverlässiger als herkömmliche Verfahren.
Nicht nur Comic-Held Popeye schwört drauf, auch Generationen von Eltern haben ihren Nachwuchs damit „verwöhnt“: Spinat. Zwar ist mittlerweile bekannt, dass das Gemüse nicht ganz so eisenhaltig ist wie ursprünglich angenommen, doch dass dieses Spurenelement essentiell ist für das physische Wohlbefinden, ist bis heute unstrittig. Denn Eisenmangel – ausgelöst durch Fehlernährung – kann zu Blutarmut (Anämie) führen. Ein zu hoher Eisenwert im Blut dagegen signalisiert möglicherweise das Vorliegen akuter Entzündungsreaktionen. Der Eisengehalt im Blut ist daher ein wichtiges medizinisches Diagnosemittel. Forscher der Universität Ulm um die Physiker Fedor Jelezko, Martin Plenio und die Chemikerin Tanja Weil haben nun auf der Grundlage künstlicher Nanodiamanten einen neuartigen Biosensor zur Bestimmung des Eisengehalts entwickelt.
Abb.: Grafisches Modell eines Ferritins, im Inneren die gespeicherten Eisenionen. (Bild: Tanja Weil)
Realisiert wurde dieses Projekt im Rahmen des mit 10,3 Millionen Euro dotierten Synergy Grant BioQ des Europäischen Forschungsrates, mit dem die Wissenschaftler im vergangenen Dezember ausgezeichnet wurden. „Bluttests, die den Eisengehalt im menschlichen Körper messen, erfassen nicht – wie man denken könnte – freie Eisenionen im Blut. Denn ungebundenes Eisen wirkt toxisch und ist in der Regel kaum im Blut zu finden“, erläutert Tanja Weil, Leiterin des Instituts für Organische Chemie III der Universität Ulm. Die Messverfahren richten sich stattdessen auf bestimmte Proteine, die für die Speicherung und den Transport von Eisen verantwortlich sind. Eines dieser Proteine ist das Ferritin, das bis zu 4500 Eisenionen binden kann. Die meisten herkömmlichen Tests basieren auf immunologischen Verfahren und schätzen die Eisenkonzentration indirekt auf der Grundlage verschiedener Marker, wobei die Ergebnisse in bestimmten klinischen Situationen widersprüchlich ausfallen können.
Die Ulmer Wissenschaftler haben nun einen komplett neuen Ansatz entwickelt, um das Ferritin im Organismus aufzuspüren. Und zwar mit Hilfe einiger Kniffe. Zunächst bedurfte es der Überlagerung der Magnetfelder der Eisnenatome, damit sie technisch messbar wurden. Ähnlich verhält es sich mit den an Ferritin gebundenen Eisenionen, deren Magnetfelder allerdings so winzig sind, dass sie äußerst schwer zu fassen sind. Hierin bestand nun die eigentliche Herausforderung für die Wissenschaftler: ein Verfahren zu entwickeln, das sensitiv genug ist, um derart schwache Magnetfelder präzise zu ermitteln. Mit Hilfe einer völlig neuartigen, hochinnovativen Technologie gelang es den Forschern nun, solche hochsensiblen Magnetfeldsensoren zu entwickeln. Deren Herzstück sind künstliche Diamanten in Nanometergröße.
Dabei verwendeten sie keine perfekten Diamanten – farblos und transparent – sondern Diamanten mit Gitterfehlern, die die Farbgebung der Diamanten beeinflussen. „Diese Farbzentren erlauben es uns, die Ausrichtung von Elektronenspins in externen Feldern optisch auszulesen“, erklärt Fedor Jelezko, Leiter des Ulmer Instituts für Quantenoptik. Schließlich musste das Team einen Weg finden, um das Ferritin an der Diamant-Oberfläche anhaften zu lassen. „Dies gelang uns dann tatsächlich mit Hilfe von elektrostatischen Interaktionen zwischen den winzigen Diamantpartikeln und den Ferritin-Proteinen“, ergänzt Weil.
Abb.: Spezifische Gitter-Fehler in den etwa 100 Mikrometer kleinen künstlichen Diamanten bilden die Grundlage für die Magnetfeldmessungen. (Bild: Fedor Jelezko)
„Durch theoretische Modellierung konnten wir sicherstellen, dass das gemessene Signal in der Tat übereinstimmt mit der Präsenz von Ferritin und das Messverfahren an sich gültige Ergebnisse liefert“, sagt Martin Plenio, Leiter des Instituts für Theoretische Physik. Für die Zukunft verfolgen die Ulmer Forscher das ambitionierte Ziel, auch die genaue Anzahl der Proteine bestimmen zu können.
Mit dieser innovativen Entwicklung setzen die Ulmer Forscher immerhin einen ersten Meilenstein hin zu ihrem – mit dem BioQ-Synergy-Grant der EU ausgezeichneten – übergeordneten Forschungsziel. Im Mittelpunkt steht dabei die Erforschung von Quanteneigenschaften in der Biologie sowie die Herstellung möglicher Verbindungen zwischen Diamant und Biostrukturen, beispielsweile um neue Quantentechnologien zu realisieren. „Auf der Grundlage von Nanostrukturen in Diamanten können damit hochempfindliche Sensoren hergestellt werden, die sowohl in der Biologie als auch der Medizin praktische Anwendung finden“, so die Ulmer Naturwissenschaftler.
U Ulm / CT