29.10.2014

Stellarer Staubsauger

Erstmals gelingt der direkte Nachweis intensiver Masseströme auf jungen Stern.

Ein Team von Astrophysikern, mit Beteiligung der Universität Wien, hat Hochenergieprozesse in der Umgebung eines entstehenden Sterns verfolgt. Dabei handelt es sich um gewaltige Ausbrüche von Strahlung und Masse, die bei der Entstehung von Sternen eine fundamentale Rolle spielen. Mit Hilfe des XMM-Newton-Röntgenobservatoriums der ESA und des Chandra-Röntgenobservatoriums der NASA konnten die Astrophysiker erstmals bisher nur indirekt nachgewiesene Masseströme auf einen jungen Stern aufzeigen, indem sie direkt die Abschattung des Röntgenlichts durch die gewaltigen Gas-Massen nachwiesen.

Abb.: Beim FUor-Ausbruch erhitzt sich die Scheibe beim Stern sehr stark und wird um ein Vielfaches heller als der gesamte Stern. Eine große Menge Gas fließt nun innerhalb kurzer Zeit zum Stern hinunter. (Bild: ESO / L. Calçada)

Bei der Entstehung eines Sterns aus ausgedehnten Gaswolken bilden sich im Verlauf der ersten Millionen Jahre ausgedehnte Gas- und Staubscheiben um den langsam wachsenden Stern. Diese Scheiben können so groß wie unser Sonnensystem werden. Gleichzeitig zieht der Stern von dieser Scheibe Materie an. Die Beobachtungen von Spektren junger Sterne zeigen, dass ein ständiger Massestrom für den Aufbau eines Sterns in der Größe unserer Sonne bis zu zehn Millionen Jahre bräuchte. Jedoch bilden sich die Sterne innerhalb weniger als einer Million Jahre, und die Scheiben verschwinden erfahrungsgemäß bereits nach wenigen Millionen Jahren.

„Seit langem wird deshalb spekuliert, dass gelegentliche gewaltige Instabilitäten in den Scheiben sehr große Mengen an Material in kurzer Zeit auf den Stern hinunter stürzen lassen. Diese episodischen Ereignisse würden sich bei jedem jungen Stern eventuell nur ein bis zwei Dutzend Mal im Abstand von Tausenden von Jahren ereignen, aber einen signifikanten Teil der Scheibe entfernen“, erklärt Manuel Güdel, Professor am Institut für Astrophysik der Universität Wien. Damit gewinnt nicht nur der Stern an Masse – auch die in den Scheiben vor sich gehende Entstehung von Planeten wird dadurch erheblich beeinflusst.

Solche seltenen Ereignisse wurden in den letzten achtzig Jahren tatsächlich bei einem knappen Dutzend Sternen je einmal beobachtet, und jedes Ereignis dauert Jahrzehnte an. Sie werden nach dem 1937 ausgebrochenen Prototypen auch FU Orionis-Ausbrüche oder „FUors“ genannt. Diese Vorfälle sind spektakulär und weisen darauf hin, dass die ganze Sternumgebung verändert wird und die sonst kühlen Scheiben auf Temperaturen wie die der Sonnenoberfläche aufgeheizt werden. Das Licht des Objektes wird dadurch mindestens zehn bis 100 Mal heller.

Im Jahr 2010 haben Forscher nach langem Warten den jüngsten FUor-Ausbruch entdeckt, bei einem sich bildenden Stern namens HBC 722 im Gebiet des Nordamerikanebels im Sternbild Schwan. Manuel Güdel und Armin Liebhart von der Universität Wien und ihr Team ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen. Sie holten eine Ausnahmebewilligung von der Leitung des XMM-Newton-Röntgenobservatoriums der ESA ein, um den Stern schon in seiner Anfangsphase ohne lange Verzögerung zweimal in den Jahren 2010 und 2011 beobachten zu können. Dem Team gelang schließlich 2013 mit dem NASA-Röntgenobservatorium Chandra eine weitere Nachbeobachtung. „Obschon drei früher ausgebrochene FUors in ihrer späten Abklingphase auch im Röntgenlicht nachgewiesen werden konnten, gelang es uns jetzt zum ersten Mal, die bewegte Anfangsphase eines Ausbruchs aufzunehmen“, so Armin Liebhart, Doktorand in Güdels Gruppe an der Universität Wien.

Diese erstmaligen und einzigartigen Beobachtungen zeigten völlig unvorhergesehene Eigenschaften. Die erste Beobachtung während des anfänglichen raschen Ausbruchs wies zwar keine Röntgenstrahlung auf – möglicherweise gab es massereiche Gasströme zwischen Stern und Scheibe, die alles Röntgenlicht vom Stern absorbierten. Die zweite Beobachtung ein halbes Jahr später dagegen zeigt eine Röntgenquelle, wie man sie für einen derartigen Stern erwartet – nämlich eine heiße Röntgenkorona ähnlich der Sonnenkorona. Die Gasströme waren anscheinend bereits abgeklungen.

Zwei Jahre später hatte sich der Ausbruch jedoch erneut verstärkt. Die jetzt zehnmal stärkere Röntgenquelle wurde aber durch eine im Vergleich zu vorher bis zu hundertfach größere Menge an Gas sehr stark abgeschwächt. Die Beobachtung zeigte zusätzlich, dass das Gas sehr heiß sein musste, weil der üblicherweise enthaltene Staub verdampft war. Die bisher vorausgesagten Masseströme auf den Stern ließen sich jetzt direkt durch ihre Abschattung des Röntgenlichtes nachweisen. Eine Abschätzung der Gasmenge liefert die vorhergesagten Ergebnisse. Nicht auszuschließen sind auch Gasströme, die von der Scheibe in Form eines schnellen Windes ausströmen.

Die neuen Erkenntnisse über diese seltenen Ereignisse sind von größter Wichtigkeit für unser Verständnis der Stern- und Planetenentstehung. Da der Ausbruch über viele Jahre weiter andauern dürfte, haben die beiden Projektleiter bereits wieder neue XMM-Newton-Beobachtungszeit für zusätzliche Nachfolgebeobachtungen beantragt.

U. Wien / DE

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