31.03.2017

Tiefenentspannung im Erdinnern

Hochdruckmessungen zur Elastizität von Bridgmanit geben Einblicke in die Zusammensetzung des Erdmantels.

Ein Forscherteam am Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth hat erstmals unter sehr hohen Drücken die elastischen Eigenschaften von Bridgmanit ermittelt, einem Mineral, das mehr als die Hälfte des Volumens unseres Planeten ausmacht und für sein physikalisch-chemisches Verhalten von entscheidender Bedeutung ist. Die neuen Messungen ermöglichen grundlegende Erkenntnisse über die Zusammen­setzung des Erdinnern. So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass rund drei Viertel des unteren Erd­mantels bis zu einer Tiefe von 1.200 Kilometern aus aluminium- und eisen­haltigem Bridgmanit bestehen.

Abb.: Alexander Kurnosov bei der Untersuchung einer Materialprobe unter hohen Drücken im Labor für Brillouin-Spektroskopie und Röntgenbeugung (Bild: C. Wißler)

Ungefähr 700 Kilometer unter der Erdoberfläche beginnt der untere Erdmantel, der bis in eine Tiefe von rund 2.900 Kilometern hinabreicht und empirischen Untersuchungen vor Ort nicht zugänglich ist. Um dennoch konkrete Aussagen über seine chemische Zusammen­setzung treffen zu können, muss die Forschung die elastischen Eigenschaften der Minerale kennen, die im unteren Erdmantel sehr hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt sind. Von diesen Eigenschaften hängt es ab, wie schnell sich Erdbeben­wellen dort ausbreiten. Über die Ausbreitungs­geschwindigkeit im Erdmantel gibt das PREM Auskunft, das Preliminary Reference Earth Model, das auf umfangreichen internationalen Messungen der Geophysik beruht. Das Modell erlaubt Rückschlüsse auf die chemische Zusammen­setzung, wenn ausreichende Daten zur Elastizität der Minerale vorliegen. Doch über die Elastizität von Bridgmanit war bisher nur wenig bekannt.

Ein Forscherteam am Bayerischen Geoinstitut (BGI) hat jetzt erstmals präzise Messdaten hinsichtlich der Elastizität von eisen- und aluminium­haltigem Bridgmanit gewinnen können – und zwar unter Druck­verhältnissen, wie sie für den unteren Erdmantel charakteristisch sind. Mit diesen und weiteren Daten haben die Bayreuther Wissenschaftler verschiedene Szenarien für dessen chemische Zusammen­setzung entwickelt und mit dem PREM abgeglichen. Das Ergebnis: Bis in eine Tiefe von rund 1.200 Kilometern enthält der untere Erdmantel hauptsächlich eisen- und aluminium­haltiges Bridgmanit (75 Prozent), hinzu kommen Ferroperiklas (18 Prozent) und Calciumsilikat-Perowskit (7 Prozent). Die Messdaten zur Elastizität von Bridgmanit gewannen die Forscher mithilfe der laser­gestützten Brillouin-Spektroskopie und der Röntgen­beugung. Das BGI ist weltweit die einzige Forschungs­einrichtung, die beide Methoden im Labor kombiniert und für Material­untersuchungen unter sehr hohen Drücken einsetzt.

„Unsere Messungen und Modellrechnungen legen nahe, dass der untere Erdmantel die gleichen atomaren Bestandteile wie der obere Erdmantel enthält, der sich unterhalb der Erdkruste in einer Tiefe zwischen 70 und 700 Kilometern erstreckt“, erklärt Hauke Marquardt vom BGI. Diese Ähnlichkeit zwischen dem oberen und dem unteren Erdmantel konnten die neuen Forschungs­arbeiten zeigen, weil sie im Unterschied zu früheren Modellen auch den Eisen- und Aluminium-Gehalt des Bridgmanits sowie den Oxidations­zustand des Eisens berücksichtigen.

„Unsere Modellrechnungen zeigen, dass Eisen in Bridgmanit oberhalb von 1.200 Kilometern hauptsächlich als Fe³, einer speziellen Oxidations­form, vorkommt. Mit zunehmender Tiefe scheint jedoch der Anteil von Fe² kontinuierlich zu steigen“, ergänzt der Bayreuther Geo­wissenschaftler. Der Anteil von Fe² hat wahrscheinlich einen signifikanten Einfluss auf zahlreiche physikalische und chemische Eigenschaften von Bridgmanit. Wenn der Fe²-Gehalt mit der Tiefe zunimmt, hätte dies weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von Prozessen im unteren Erdmantel.

U. Bayreuth / DE

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