20.12.2011

Unerhörte Umleitung für den Schall

Forscher entwickeln die erste Tarnkappe für Schallwellen.

Die Fortschritte der Nanotechnologie bei den Metamaterialien haben die Tarnkappe aus Mythologie und Science Fiction in die Wirklichkeit gebracht: Lichtwellen lassen sich so um ein zu versteckendes Objekt lenken, dass es aussieht, als wäre dieses nicht da. Was dabei für elektromagnetische Lichtwellen gilt, lässt sich auch auf andere Wellentypen wie Schallwellen übertragen: Einem Forscherteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gelang nun die erste Demonstration einer Tarnkappe für elastische Wellen, wie sie auch in Gitarrensaiten oder Trommelmembranen auftreten.

Abb.: Im „Kreisverkehr“ um das ruhige Zentrum: Design (oben) und Zwischenschritt der Herstellung (unten) der elastischen Tarnkappe (Bild: AP, KIT)

„Der Schlüssel zur Steuerung von Wellen liegt darin, ihre lokale Geschwindigkeit gezielt beeinflussen zu können – und das abhängig von der Laufrichtung der Welle“, sagt Nicolas Stenger vom Institut für Angewandte Physik (AP). In seinem Experiment setzte er ein mikrostrukturiertes Material ein, das aus zwei Polymeren zusammengefügt ist: einem weichen und einem harten Kunststoff in einer dünnen Platte. Die Schwingungen dieser Platte liegen im Bereich akustischer Frequenzen, also bei wenigen 100 Hertz, und lassen sich direkt von oben beobachten. Die Wissenschaftler fanden so heraus: Die Schallwellen werden um einen kreisförmigen Bereich in der einen Millimeter dünnen Platte herum gelenkt – sodass Schwingungen weder in diesen Bereich hinein noch heraus dringen.

„Im Gegensatz zu anderen bekannten Lärmschutzmaßnahmen werden die Schallwellen hierbei aber weder absorbiert noch reflektiert“, sagt Martin Wegener vom Institut für Angewandte Physik und Koordinator des DFG-Centrums für Funktionelle Nanostrukturen (CFN) am KIT. „Es ist so, als wäre einfach nichts da.“

Ihre Grundidee veranschaulichen die Wissenschaftler mit einer städtebaulichen Analogie: Eine kreisförmige Stadt leidet unter dem lärmenden Autoverkehr durch ihr Zentrum. Schließlich kommt der Bürgermeister auf die Idee, eine Geschwindigkeitsbeschränkung für Autos einzuführen, die zentral auf die Stadt zu fahren: Je näher die Autos dem Stadtbereich kommen, umso langsamer müssen sie fahren. Gleichzeitig lässt der Bürgermeister Kreisstraßen um die Stadt herum bauen, auf denen man sogar schneller fahren darf als sonst üblich. Auf diese Weise können die Autos zunächst auf die Stadt zu fahren und dann schnell um sie herum, sodass sie am Ende in der gleichen Richtung wieder herauskommen. Dabei brauchen sie genau so viel Zeit wie ganz ohne Stadt – von außen betrachtet wirkt es so, als wäre die Stadt einfach nicht da.

Dementsprechend leiten die Forscher mit ihrer Tarnkappe Schallwellen durch gezielte Manipulation der Geschwindigkeit um eine Hindernis, dass so unhörbar bleibt.

KIT / PH

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