21.07.2014

Universelle Dreierbeziehung

Experiment bestätigt vierzig Jahre alte Vorhersage des Skalierungsverhaltens exotischer Riesenmoleküle.

Die grundlegenden physikalischen Eigenschaften von zwei wechselwirkenden Teilchen lassen sich zumeist leicht beschreiben. Doch bei Drei- und Mehrteilchensystemen nimmt der mathematische Aufwand bei der Beschreibung enorm zu. Die Berechnung der Dynamik kann sogar die Kapazitäten moderner Supercomputer sprengen. Das quantenmechanische Dreikörperproblem weist jedoch unter gewissen Bedingungen eine universell skalierende Lösung auf. Die Vorhersagen eines solchen Modells konnten jetzt Forscher der Universität Heidelberg experimentell bestätigen. Dazu haben Matthias Weidemüller und seine Kollegen Trimere, also molekulare Dreierverbindungen, unter exotischen Bedingungen untersucht.

Abb.: Schematische Darstellung von Efimov-Trimeren, die aus zwei Cäsium- und einem Lithium-Atom bestehen. Während der Trimer im Grundzustand mikroskopische Ausmaße hat, ist der zweite angeregte Bindungszustand bereits nahezu ein Mikrometer groß. Die Größe der Trimere skaliert nach einem universellen Skalierungsgesetz. (Bild: J. Ulmanis, RKU)

Die Forschungsarbeiten basieren auf einer Theorie, die der russische Physiker Vitaly Efimov vor mehr als vierzig Jahren formuliert hat. Im Mittelpunkt steht dabei die Suche nach physikalischen Gesetzen, die das Verhalten und die Zustände beliebig vieler Teilchen vorhersagen. Nach Efimovs Theorie lassen sich die Bindungszustände von drei Atomen unter bestimmten Voraussetzungen allgemeingültig beschreiben. Der Wissenschaftler fand unter anderem heraus, dass unendlich viele quantenmechanische Bindungszustände für die „ménage à trois“ existieren, selbst wenn je zwei der Atome keinerlei Bindung eingehen können. Solche Efimov-Trimere entstehen aufgrund quantenmechanischer Wechselwirkung mit einer langen Reichweite, sie sind völlig unabhängig von der jeweiligen Natur der drei wechselwirkenden Teilchen.

Efimovs Vorhersage galt lange als exotisch, da die Bedingungen, unter denen derartige molekulare Dreierverbindungen existieren, für die Forschung unerreichbar schienen. „Physiker aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen haben lange vergeblich versucht, Signaturen von Efimov-Trimeren zu finden“, erläutert Weidemüller. Erst vor knapp zehn Jahren glückte Forschern in Innsbruck der eindeutige Nachweis dieser Trimere in Systemen, die aus drei identischen Atomen bestehen. Kurz darauf gelang es Selim Jochim und seinem Team in Heidelberg, den ersten Bindungszustand der Efimov-Trimere genau zu vermessen. Weidemüller und seine Kollegen haben nun weitere Eigenschaften der exotischen Efimov-Trimere untersucht. Dazu haben die Forscher ein Gas aus zwei unterschiedlichen Arten von Atomen – Cäsium und Lithium – auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt, wobei sie gleichzeitig für eine präzise Kontrolle der Wechselwirkung der Lithium-Cäsium-Paare sorgten.

Der Nachweis der Trimere basiert auf dem Zerfall in ihre drei Bestandteile bei wohldefinierten Kopplungsstärken. Dabei skaliert die Stärke der Kopplung mit einem von der jeweiligen Dreierverbindung unabhängigen, rein numerischen Skalenfaktor. „Wir haben den Nachweis geführt, dass die universelle Skalierung auch bei Systemen unterschiedlicher Atome zu finden ist“, sagt Rico Pires aus Weidemüllers Team. Den Wissenschaftlern gelang es außerdem, die vorhergesagte Änderung des Skalierungsfaktors für einen Trimer mit unterschiedlichen Teilchen gegenüber einer Dreierverbindung aus identischen Atomen zu bestätigen. Sie haben damit gezeigt, dass sich Efimovs Theorie auf eine Vielzahl von Systemen anwenden lässt.

Wie Weidemüller betont, sind die Forschungsergebnisse für viele Bereiche der Physik – von der Atom- bis zur Kernphysik – von Bedeutung: „Interessant ist nicht allein der Nachweis des universellen Skalierungsverhaltens, sondern auch die genaue Vermessung kleinster Abweichungen davon. Dadurch gewinnen wir neue Erkenntnisse, wie Efimovs Theorie auf realistische Dreikörpersysteme angewendet werden kann“, erklärt der Wissenschaftler. „Unser Ziel ist ein vertieftes Verständnis von quantenmechanischen Vielteilchensystemen, einem der wichtigsten, aber auch schwierigsten Gebiete der modernen Physik.“

RKU / RK

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