28.10.2015

Uralter Sauerstoff auf Tschuri

Überraschend großer Anteil an Sauerstoff-Molekülen stellt Modelle zur Entstehung des Sonnensystems in Frage.

Schon früh in der Mission des Massen­spektro­meters ROSINA – im September letzten Jahres – machten die Forscher vom Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern bei der Analyse der Kometengase eine unerwartete Entdeckung: Zwischen den erwarteten Spitzen der Schwefel- und Methanolwerte waren deutliche Spuren von Sauerstoff­molekülen zu sehen. Es stellte sich heraus, dass O2 gar das vierthäufigste Gas in der Atmosphäre des Kometen ist – nach Wasser, Kohlen­monoxid und Kohlen­dioxid. Da Sauerstoff chemisch sehr reaktiv ist, wurde bisher angenommen, dass er sich im frühen Sonnensystem mit dem in großen Mengen vorhandenen Wasserstoff zu Wasser verbunden haben muss. Dennoch waren auf dem Kometen noch Sauerstoff­moleküle vorhanden. „Wir hätten nie gedacht, dass Sauerstoff Jahrmilliarden ‚überleben‘ kann, ohne sich mit anderen Stoffen zu verbinden“, sagt Kathrin Altwegg, Projekt­leiterin des Massen­spektro­meters ROSINA.

Abb.: Tschuri, aufgenommen im September 2014 mit der Bordkamera der Raumsonde Rosetta aus 28 Kilometern Entfernung (Bild: ESA / Rosetta / NAVCAM)

Molekularer Sauerstoff ist sehr schwierig mittels spektroskopischen Messungen von Teleskopen zu entdecken – was erklärt, wieso dieses Molekül nicht schon bei anderen Kometen beobachtet wurde. Es brauchte die Messung vor Ort mit dem ROSINA-Massen­spektro­meter auf der Rosetta-Sonde, um diese Entdeckung zu machen. „Erstaunlich für uns war auch die Feststellung, dass das Verhältnis von Wasser zu Sauerstoff sich weder mit dem Ort auf dem Kometen noch mit der Zeit änderte – es also eine stabile Korrelation zwischen Wasser und Sauerstoff gibt“, sagt Altwegg.

Im Gegensatz zu Kometen ist das Vorkommen von Sauerstoff­­molekülen auf den Jupiter- und Saturnmonden bekannt. Dort wird es durch das Einschlagen hoch­energetischer Teilchen vom jeweiligen Mutter­planeten erklärt, den es aber im Fall des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko nicht gibt. Allerdings wird der Komet seit 4.6 Milliarden Jahren von hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung bombardiert. Diese Teilchen können Wasser spalten, woraus unter anderem Sauerstoff, Wasserstoff und Ozon entstehen können. Allerdings dringen diese Teilchen nur wenige Meter in die Oberfläche ein. Der Komet verliert aber auf seiner Bahn um die Sonne bei jedem Umlauf zwischen einem bis zehn Metern Umfang und hat deshalb seit seiner letzten Begegnung mit Jupiter im Jahr 1959, die ihn auf die heutige Bahn gebracht hat, schon mehr als 100 Meter Umfang verloren.

Die laut den Forschern wahrscheinlichste Erklärung ist, dass der Sauerstoff schon früh, also vor der Bildung des Sonnensystems, entstand. Dabei seien hochenergetische Teilchen auf Eiskörner in den kalten und dichten Geburts­stätten der Sterne, den sogenannten dunklen Molekül­wolken, getroffen und hätten Wasse­rmoleküle gespalten, was zu Wasserstoff- und Sauerstoff­molekülen geführt hätte. Der Sauerstoff sei dann im frühen Sonnensystem nicht weiter „verarbeitet“ worden.

Die Sauerstoff-Messungen zeigen, dass mindestens ein großer Teil des Kometen­materials älter ist als unser Sonnensystem und die Zusammen­setzung dabei typisch ist für dunkle Molekül­­wolken, aus denen dann solare Nebel und später Planeten­systeme entstehen. „Dieser Hinweis auf Sauerstoff als uraltes Material wird wahrscheinlich einige theoretische Modelle über die Bildung des Sonnensystems über den Haufen werfen“, sagt Altwegg.

U. Bern / DE

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