05.09.2014

Vom Buchhalter zum Physiker

Im neuen Rätsel von Physik in unserer Zeit geht es um einen Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen in die hohe Mathematik und Physik. Verlost werden drei wertvolle Buchpreise.

Er ist ein Autodidakt: Seine Familie, verarmte Hugenotten, können kaum mehr als den elementaren Schulbesuch bezahlen. So beginnt er mit zwölf Jahren zu arbeiten, als Gehilfe seines Vaters, eines Schneiders. Später verdient er als Buchhalter, Sekretär und Lehrer sein Brot. Gleichzeitig verschlingt er neugierig jedes Buch, das ihm zwischen die Finger kommt und beginnt auch mit eigenen physikalischen Experimenten, vor allem zur Optik.

Dabei entdeckt er ein Gesetz, das die Absorption von Licht in trüben Flüssigkeiten oder der Atmosphäre beschreibt. Ungeachtet der Tatsache, dass er nicht der erste ist, dem der logarithmische Zusammenhang zwischen Lichtintensität und Schichtdicke auffällt und dies seinen Lesern auch ausdrücklich mitteilt, wird das Gesetz heute (auch) nach ihm benannt, ebenso wie „sein“ Kosinus-Gesetz, das eine Abhängigkeit der Strahlungsstärke vom Winkel zwischen Lichtstrahl und Normale einer angestrahlten Fläche angibt.

Sein Name hat Gewicht. Das liegt auch daran, dass er – auch aus finanziellen Gründen – als eifriger Bücherschreiber sein Wissen gerne gedruckt weiterträgt. Er veröffentlicht „Beyträge zum Gebrauche der Mathematik“, ein Buch über „Merkwürdige Eigenschaften der Bahn des Lichts durch die Luft“, seine berühmte „Photometria“ und Bücher über die Perspektive, akustische Instrumente, mehrere philosophische Werke und angeblich sogar eine Abhandlung darüber, wie man beim Stoffzuschnitt für Hemden möglichst viel Stoff spart.

Schon mit 32 Jahren gelangt er so auf eine besoldete Professur der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, vier Jahre später erhält er gar auf Eulers Empfehlung den gut bezahlten Posten eines Oberbaurats in Berlin. Sein Einsatz für die Architektur ist allerdings kaum mehr als eine historische Randnotiz wert.

Streitbar zeigt er sich in mathematischen Fragen. „Ich kann mit einigem Grunde zweifeln, ob gegenwärtige Abhandlung von denjenigen werde gelesen, oder auch verstanden werden, die den meisten Antheil daran nehmen sollten, ich meyne von denen, die Zeit und Mühe aufwenden, die Quadratur des Circuls zu suchen. […] Die Erfindung von Sachen, die lange vergebens gesucht worden, ist entweder an sich unmöglich, oder sie ist einem künftigen glücklichen Zufall vorbehalten.“ Von solchen mathematischen Glücksrittern hält der Gesuchte wenig – auch wenn zu seiner Zeit noch offen ist, ob die Ludolphsche Zahl – heute schlicht π genannt – vielleicht doch mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Immerhin zeigt der Gesuchte mit Hilfe kunstvoller Kettenbrüche, dass sie keine rationale Zahl sein kann, und er beweist dasselbe auch für die Zahl, deren natürlicher Logarithmus 1 ergibt – was er zwischen den Zeilen als Indiz verkauft, dass beide Zahlen wohl tatsächlich nicht konstruierbar sind.

Dass die Welt die Quadratur des Kreises als Problem kennt, nicht aber die Quadratur der Eulerschen Zahl, ist ihm übrigens unverständlich. „Das wird theils nur aus der Geschichte der Mathematik, und theils auch dadurch beantwortet werden können, daß die Begriffe Circul, Vierecke, Größe, gleich jedermann bekannt sind, welches sich von dem Begrif hyperbolische Logarithmen nicht sagen lässt.“ Ein Mathematiker schrieb später über ihn, er „war in Licht und Schatten das rechte Bild eines Gelehrten des 18. Jahrhunderts, der über Gott und die Welt alles mögliche schreibt.“

Andreas Loos, FU Berlin

Schreiben Sie die Lösung auf eine Postkarte an: Physik in unserer Zeit, Wiley-VCH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, oder per Email an: thomas@buehrke.com. Absender bitte nicht vergessen! Einsendeschluss ist der 15.10.2014. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir verlosen drei Exemplare des Buches Deutschlands Energiezukunft von Manfred Popp.

Die aktuelle-Ausgabe von Physik in unserer Zeit finden Sie hier.

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