Wie ein Laser Elektronen beschleunigt
Die Elektronenbeschleunigung mit Lasern könnte schon bald die klassische Beschleunigungstechnik revolutionieren. Um diese Technik nutzen zu können, ist jedoch ein genaues Verständnis der hierbei auftretenden, komplexen Vorgänge notwendig. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik, der Ludwigs-Maximilians-Universität München und der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist es kürzlich gelungen, die auf Mikrometerskalen stattfindenden Beschleunigungsprozesse direkt sichtbar zu machen [1].
Wenn ein hoch intensiver Laserpuls durch ein Gas läuft, wird dieses durch die Vorderseite des Pulses ionisiert, so dass sich der Hauptteil des Lasers in einem Plasma bewegt (Abb.). Der Lichtdruck des Lasers stößt die Plasmaelektronen an und regt sie zu longitudinalen Oszillationen an, wobei sich effektiv positiv und negativ geladene Raumladungszonen mit wenigen oder vielen Elektronen hinter dem Laserpuls ausbilden. Diese Dichtevariation – die Plasmawelle – folgt dem Laser ungefähr mit Lichtgeschwindigkeit.
Aus einer Überschallgasdüse strömen Heliumatome in einem Strahl mit 300 µm Durchmesser. Der Hauptlaserpuls wird in etwa 1 mm Abstand über der Düse in das Heliumgas fokussiert. Man sieht das starke Leuchten des Plasmakanals. Der Diagnosestrahl propagiert senkrecht dazu durch das Plasma und visualisiert den Elektronenpuls und die Plasmawelle.
Bereits 1979 wurde erkannt, dass sich diese Plasmawellen ideal für eine neue Generation von Elektronenbeschleunigern eignen, da ihre longitudinalen Felder zwischen den Raumladungszonen 1000- bis 10000-mal größer sind als in modernsten Teilchenbeschleunigern mit konventioneller Radiofrequenztechnik [2]. Dadurch lässt sich die Beschleunigungsstrecke um den gleichen Faktor reduzieren. Theoretisch könnte man deshalb in Zukunft große Beschleunigeranlagen wie den geplanten 31 km langen International Linear Collider [3] auf wenige Meter verkürzen.
Damit der Beschleunigungsprozess funktioniert, werden allerdings extrem kurze Laserpulse mit einer Spitzenleistung von einigen Terawatt benötigt, was auf dieser kurzen Zeitskala der Leistung von mehreren tausend Großkraftwerken entspricht! Während solche Leistungen vor etwa 30 Jahren noch nicht verfügbar waren, haben seit 2004 die Versuche mehrerer Forschungsgruppen gezeigt, dass es möglich ist, mit Hochintensitäts-Femtosekundenlasern auf Titan-Saphir-Verstärker-Basis Teilchenbündel, die sich aus hundert Millionen Elektronen des Hintergrundplasmas formieren, auf relativistische Energien (bis zu 1 GeV!) zu beschleunigen [4]. Da sich die relevanten Prozesse auf Längenskalen von Mikrometern und Zeitskalen von Femtosekunden (10-15 s) abspielen, beschränkte sich ihre Untersuchung bisher auf die Analyse der finalen Elektronenpulsparameter wie Energie oder Divergenz oder auf vergleichende Computersimulationen.
In unseren Messungen haben wir nun zum ersten Mal sowohl das Elektronenbündel als auch die Plasmawelle während der Beschleunigung beobachten können. Ein kleiner Teil des 8,5 fs langen Laserpulses wird vom Hauptstrahl abgespalten und als Diagnosestrahl senkrecht zur Beschleunigungsrichtung durch ein Heliumplasma geschickt. Dabei wird die Information über die Beschleunigungsvorgänge im Diagnosestrahl gespeichert. Für diese Technik machen wir uns zwei verschiedene Effekte zunutze.
Der erste Effekt basiert darauf, dass das Elektronenbündel – wie jede bewegte Ladung – ein starkes azimutales Magnetfeld (Kilotesla) umgibt. Dieses verursacht lokal eine Polarisationsdrehung von einem kleinen Teil des kollimierten Diagnosestrahls (Faraday-Rotation). Zweitens wird die Helligkeit im Strahl durch Brechung an der alternierenden Elektronendichteverteilung der Plasmawelle moduliert.
Im Diagnosestrahl befindet sich nun also die Information über den Beschleunigungsprozess. Genau genommen ist dies ein Schnappschuss zu einem bestimmten Zeitpunkt, der von der (variierbaren) zeitlichen Verzögerung des Diagnosestrahls relativ zum Hauptstrahl abhängig ist. Durch die Aufnahme vieler solcher Schnappschüsse zu verschiedenen Zeitpunkten sind wir damit in der Lage, einen „Film“ der Elektronenbeschleunigung zu erstellen, was bis jetzt nur in Simulationen möglich war.
Weiterhin ist es uns möglich, über die räumliche Ausdehnung des Magnetfeldes die Dauer des relativistischen Elektronenpulses (5 fs) zu messen – eine sehr wichtige Größe für erste Anwendungen wie Freie-Elektronen-Laser zur Erzeugung von kohärenten Röntgenstrahlen oder zeitaufgelöste Pump-Probe-Messungen. Diese Beobachtungen und zukünftige Anwendungen unserer Methode werden das Verständnis der Laser-Plasma-Elektronen-Beschleunigung vertiefen, da es nun möglich sein wird, Experiment und Theorie genauer miteinander zu vergleichen, und damit zukünftige laserbasierte Beschleuniger zu entwerfen und zu optimieren.
[1] A. Buck et al., Nature Phys., 2011, doi:10.1038/nphys1942.
[2] T. Tajima, J. M. Dawson, Phys. Rev. Lett 1979, 43, 267.
[3] Phys. Unserer Zeit 2006, 37 (4), 159.
[4] T. Katsouleas, Nature 2004, 431, 515.
Alexander Buck, Laszlo Veisz, MPI für Quantenoptik;
Malte C. Kaluza, Universität Jena