Mit dem Spektrometer KATRIN versuchen Wissenschaftler, dem Geheimnis der Neutrinos auf die Spur zu kommen. (vgl. S. 31, Foto: Michael Zacher (bearb.))
Physik Journal 7 / 2011
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
USA
Gedächtnisverlust für Tevatron CO2-Abscheidung aus der Luft zu teuer Arecibo in neuer Hand Promotion und dann?
Leserbriefe.
Im Brennpunkt
Das simulierte Dutzend
Monte-Carlo-Methoden erlauben es, den für die Entstehung von Kohlenstoff-12 entscheidenden Hoyle-Zustand ab initio zu berechnen.
Simulierter Übergang
Erstmals ließ sich ein Quanten-Spin-System mit atomarer Auflösung in einem System ultrakalter Atome simulieren.
Forum
''Das ist meine Kultur''
Interview mit dem Physik-Nobelpreisträger Jack Steinberger, der am 25. Mai seinen 90. Geburtstag feiern konnte.
Jack Steinberger wurde 1921 als Hans Jakob in Bad Kissingen geboren. Als 13-jährigen brachten ihn seine Eltern (gemeinsam mit seinem älteren Bruder) 1934 vor den Nazis in Sicherheit. In den USA studierte er bei Enrico Fermi, machte Karriere als Teilchenphysiker und entdeckte 1962 das Myon-Neutrino, wofür er 1988 gemeinsam mit Leon Lederman und Melvin Schwartz den Physik-Nobelpreis erhielt. In den Jahren danach lebte die Verbindung zu Bad Kissingen wieder auf, wo Jack Steinberger heute Ehrenbürger ist und seine ehemalige Schule seinen Namen trägt.
Welche Kindheitserinnerungen haben Sie noch an Deutschland?
Noch bevor der Hitler an die Macht kam, haben die Braunhemden Paraden gemacht in der Stadt mit torch lights, wie heißt das auf Deutsch?
Fackeln …
Ja, Fackelzüge. Dabei haben sie gesungen: „Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s nochmal so gut.“ Das habe ich als Kind anhören müssen, der Antisemitismus war völlig öffentlich. Aber ich habe persönlich in der Schule keine Schwierigkeiten gehabt, und ich glaube, dass der Schulleiter alles getan hat, damit die jüdischen Kinder so lange es ging in der Schule bleiben konnten.
Sie haben in den USA studiert und sind über Umwege zur Physik gekommen.
Zunächst war ich Chemiker. Zur Physik bin ich im Krieg gekommen, weil man Physiker für die Entwicklung des Radars gebraucht hat.
Welcher Ihrer akademischen Lehrer hat Sie besonders beeindruckt?
Der erste Physiker, der mir sehr viel gegeben hat, ist kürzlich mit über 100 Jahren gestorben. Er hieß Laszlo Tisza, ein Ungar, der am MIT in Cambridge arbeitete. Nach dem Krieg hatte ich das enorme Glück, in Chicago weiter studieren zu können. Dort hatte ich einige wunderbare Lehrer. Einer war Fermi, bei dem ich meine Doktorarbeit machen konnte. Gregor Wenzel war ein weiterer Lehrer und Freund, auch mit Edward Teller habe ich ein bisserl studiert. Was er dann mit Atomwaffen gemacht hat, ist mir nicht sehr lieb. Sehr wichtig ist auch, dass ich ganz außergewöhnliche Mitschüler hatte. Einer war der Chinese Chen Ning Yang, ein anderer Marshall Rosenbluth, kennen Sie ihn? ...
Überblick
Der gefrorene Regenbogen
Wie sich mit Metamaterialien Licht verlangsamen und sogar stoppen lässt.
Rein optische Netzwerke würden den weltweiten Datenverkehr enorm beschleunigen. Doch dazu ist es erforderlich, mit Licht zu schalten – wofür es abgebremst werden muss. Erste Ansätze dazu gelangen mit ultrakalten Gasen. An Metamaterial-Grenzflächen und auf Oberflächen von plasmonischen Nanostrukturen könnte es mithilfe von negativen Phasenverschiebungen sogar gelingen, Licht gänzlich anzuhalten.
Photonen zum Stillstand zu bringen klingt nach dem wohlbekannten Streich der Schildbürger, die Licht in einem Sack einfingen, um es in ihr fensterloses Rathaus zu tragen. Doch bereits der sechzehnjährige Albert Einstein machte sich zum „gestoppten Licht“ ganz ernsthaft Gedanken, welche „die Wurzeln der Speziellen Relativitätstheorie“ berührten: „Verfolgte ich, mich mit der Geschwindigkeit c fortbewegend, einen Lichtstrahl, so müsste mir dieser Lichtstrahl als ein im Raum lokalisiertes, auf der Stelle oszillierendes elektromagnetisches Feld erscheinen. Dies scheint jedoch sowohl der Erkenntnis als auch den Maxwellschen Gleichungen zu widersprechen“ [1]. Die Spezielle Relativitätstheorie lehrt uns in der Tat, dass die Lichtgeschwindigkeit c eine Naturkonstante ist und damit für alle Beobachter in Inertialsystemen gleich sein muss. Demnach sollte es unmöglich sein, Licht zu beobachten, das nur noch auf der Stelle oszilliert. Dies hat allerdings Physiker wie Sommerfeld und Brillouin nicht davon abgehalten, zu untersuchen, ob sich Licht nicht doch bremsen oder gar einfangen lässt – insbesondere, ohne es irgendwie umzuwandeln.Das wäre nicht nur ein grundlegender Durchbruch in der Optik bzw. Quantenoptik, sondern gerade auch technisch bedeutsam. Denn heutzutage bilden optische Signale in Glasfasern die Grundlage für den Datenverkehr im Internet. Um diesen zu steuern, sind Router nötig, welche die optischen Signale in elektrische umwandeln, einen Schaltvorgang durchführen und schließlich die elektrischen Signale wieder in optische zurückwandeln. Das bremst die Systeme um einen Faktor von bis zu Tausend. Die Lösung wäre ein rein optisches Netzwerk, das ohne Umwandlung in elektrische Signale auskommt. Aber um eine Breitbandspeicherung und -verarbeitung von Licht zu ermöglichen, gilt es Methoden zu entwickeln, die das Licht tatsächlich stoppen. ...
Den Geisterteilchen auf der Spur
Eine neue Generation von Experimenten steht in den Startlöchern, um die zur Beschreibung von Neutrinos notwendigen Parameter genauer zu messen.
Eine Vielzahl von Experimenten mit Neutrinos aus der Sonne, der Atmosphäre, Reaktoren und Beschleunigern hat gezeigt, dass Neutrinos im Flug ihre „Familienzugehörigkeit“ wechseln. Diese Neutrinooszillationen sind ein Beleg dafür, dass Neutrinos ähnlich wie Quarks miteinander mischen und eine endliche Masse besitzen müssen, und der erste harte Beweis für Physik jenseits des Standardmodells.
Neutrinos waren von Anfang an für Überraschungen gut. Wolfgang Pauli führte sie 1930 als hypothetische Teilchen ein, um Energie- und Drehimpulserhaltung beim Betazerfall zu retten. Nur durch die gleichzeitige Emission von Elektronen und unsichtbaren Neutrinos konnte er die beobachteten kontinuierlichen Elektronenspektren erklären. Würde beim Zerfall hingegen kein anderes Teilchen emittiert, sollte die Elektronenenergie einen scharfen Wert haben. Die Form des Spektrums erfordert ein sehr leichtes, wenn nicht sogar masseloses Teilchen. Die Ladungserhaltung verlangt zudem ein elektrisch neutrales Teilchen, das aufgrund seiner geringen Wechselwirkung mit Materie kaum nachzuweisen ist. Ein Vierteljahrhundert später gelang Clyde Cowan und Frederick Reines der experimentelle Nachweis des Neutrinos. Später zeigten Leon Lederman, Melvin Schwartz und Jack Steinberger, dass es mehr als eine Sorte (Familie oder Flavour) von Neutrinos gibt. Inzwischen sind drei masselose Neutrinosorten (νe , νμ und ντ), die jeweils nach ihrem geladenen Partner in der schwachen Wechselwirkung benannt sind (Elektron e, Myon μ und Tauon τ), fester Bestandteil des Standardmodells der Teilchenphysik. Im Volksmund heißen die Neutrinos auch Geisterteilchen, wegen ihres geringen Wirkungsquerschnitts. So streuen Anti-Neutrinos aus den Spaltreaktionen eines Kernreaktors im Mittel erst nach der gewaltigen Strecke von 100 Lichtjahren mit Wasser. ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
J. Hüfner, R. Löhken: Physik ohne Ende / J. Honerkamp: Die Entdeckung des Unvorstellbaren
DPG
Reizvolle Gegensätze
Im Juli 2011 wird ein wichtiger Abschnitt der Sanierungsarbeiten des Physikzentrums abgeschlossen.