Das Spektrum des Sterns Arktur im Sternbild Bärenhüter lässt sich wie die Zeilen eines Textes lesen. (vgl. S. 45; Bild: N. A. Sharp, NOAO/NSO/Kitt Peak FTS/AURA/NSF)
Physik Journal 7 / 2012
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Leserbriefe
Nicht unseriös
Zu: „Rücktritt statt Zurückhaltung“ von Alexander Pawlak, Mai 2012, S. 8
Im Brennpunkt
Auf die Mischung kommt's an
Reaktorexperimente messen den dritten Mischungswinkel für Neutrinos und eröffnen so einen Weg, um die Massenhierarchie zu bestimmen und nach CP-Verletzung zu suchen.
Trug- statt Bugschock?
Daten über den neutralen Anteil des lokalen interstellaren Mediums lassen die Struktur der Heliosphäre in neuem Licht erscheinen.
DPG
Doppelter Feiertag im Physikzentrum
Anfang Mai wurde im Physikzentrum Bad Honnef das 500. Wilhelm und Else Heraeus-Seminar gefeiert und zeitgleich der Georg Christoph Lichtenberg-Keller eingeweiht.
Lichtenberg – ab in den Keller?
Festvortrag anlässlich der Einweihung des Georg Christoph Lichtenberg-Kellers
Vom Labor ins Warenregal
Marketing und Vertrieb von Innovationen sind der Themenschwerpunkt der 37. DPG-Arbeitstagung „Forschung – Entwicklung – Innovation“.
Überblick
Von der Massenformel zum Multizyklus
Zum 100. Geburtstag von Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 – 2007)
„Wenn Sie mal Philosophie studieren wollen, müssen Sie auch Physik treiben. Das erste ist heutzutage ohne das zweite unvollständig. Physik muß man aber als ganz junger Mann anfangen. Philosophieren dagegen kann man bis ins hohe Alter.“ Mit diesen Worten ermunterte Werner Heisenberg den 14-jährigen Schüler Carl Friedrich von Weizsäcker zum Studium der Physik. Kaum zehn Jahre später leitete der junge von Weizsäcker mit seiner Massenformel sowie der „Aufbauhypothese“ zur Entstehung der Elemente zwei Ergebnisse her, die bis heute Bestand haben.
Carl Friedrich von Weizsäcker galt als einer der brillantesten Schüler von Werner Heisenberg aus dessen Leipziger Zeit. Er promovierte dort mit nur 21 Jahren mit einer Arbeit zum „Durchgang schneller Korpuskularstrahlen durch ein Ferromagnetikum“ und habilitierte nur drei Jahre später „Über die Spinabhängigkeit der Kernkräfte“. Obwohl er heute im Wesentlichen als Philosoph und Friedensforscher bekannt ist, hat er in seinen akademischen Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg wesentliche Beiträge zur Physik und frühen Kosmologie geliefert. Dazu zählt zunächst die 1935 veröffentlichte Massenformel, die von Weizsäcker 1937 in seinem Buch zur Physik der Atomkerne ausführlich präsentierte und die das Grundgerüst zur Kernphysik mit einer phänomenologischen Beschreibung der Kernmassen liefert. Noch heute gilt sie, theoretisch verfeinert, als Grundstock und Maßstab, um die Masse von Kernen fern der Stabilitätslinie vorherzusagen. Basierend auf diesen Ergebnissen erkannte von Weizsäcker die Bedeutung seiner Massenformel für die Energieproduktion und die Synthese der Elemente in Sternen. Daraus entstand 1937 ein erstes Modell („Aufbauhypothese“) für den graduellen Aufbau der Elemente durch eine Serie von Reaktionen, bei denen Atomkerne Protonen und (bei höheren Massen) Neutronen einfangen.
Das Modell basierte noch auf der später revidierten Annahme, dass 5Li ein stabiler Kern ist. Mit dem Wissen, dass bei den Kernen der Masse A = 5 und 8 eine Stabilitätslücke existiert, beschrieb von Weizsäcker 1938 erstmals qualitativ eine zyklische Sequenz von vier Protoneneinfangreaktionen und zwei β-Zerfällen an den Katalysatorelementen Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, durch die vier Wasserstoffkerne 1H zu einem Heliumkern 4He fusionieren unter Freisetzung von 27 MeV Kernenergie. Die Sequenz besteht aus: Protoneneinfang an 12C, β-Zerfall von 13N, Protoneneinfang an 13C und 14N mit nachfolgendem β-Zerfall von 15O zu 15N und anschließende Kernreaktion 15N(p,α)12C, die den Zyklus schließt und bei 12C und 4He endet. ...
Elektronenwellen nach Maß
Wie sich „Designerelektronen“ maßgeschneidert erzeugen und steuern lassen.
Vor hundert Jahren ließ sich der Photoeffekt noch mit einfachen Lampen untersuchen und im Teilchenbild des Elektrons deuten. Heute erlauben es hingegen Femtosekunden-Laser mit ausgefeilten Lichtpulsen, die Wellenfunktion des emittierten Elektrons maßzuschneidern und damit Elektronenwellenpakete fast nach Belieben zu erzeugen. Eine Anwendung solcher „Designerelektronen“ ist die hochempfindliche Analytik in der Gasphase, z. B. um chirale Moleküle zu identifizieren.
Albert Einsteins Theorie des Photoeffekts hat wesentlich zur Entwicklung der Quantenmechanik beigetragen. In seiner berühmten Arbeit schrieb er 1905: „In die oberflächliche Schicht des Körpers dringen Energiequanten ein, und deren Energie verwandelt sich wenigstens zum Teil in kinetische Energie der Elektronen. Die einfachste Vorstellung ist die, daß ein Lichtquant seine ganze Energie an ein einziges Elektron abgibt; … Ein im Innern des Körpers mit kinetischer Energie versehenes Elektron wird, wenn es die Oberfläche erreicht hat, einen Teil seiner kinetischen Energie eingebüßt haben. Außerdem wird anzunehmen sein, daß jedes Elektron beim Verlassen des Körpers eine (für den Körper charakteristische) Arbeit W zu leisten hat, wenn es den Körper verläßt. Mit der größten Normalgeschwindigkeit werden die unmittelbar an der Oberfläche normal zu dieser erregten Elektronen den Körper verlassen. Die kinetische Energie solcher Elektronen ist h·ν – W “. In der gleichen Arbeit zieht er auch den Vergleich zu Philipp Lenards Versuchen zum Photoeffekt. Lenard experimentierte damals mit Hilfe von Bogen- und Funkenlicht sowie elektrometrischer Methoden und Fluoreszenz-Schirmen in einfachen Vakuumröhren und fand dabei die fundamentale Gesetzmäßigkeit, dass bei wachsender Lichtintensität die Zahl der Elektronen wächst, nicht jedoch deren Energie.
Auch heute noch spielt der Photoeffekt in der modernen Grundlagenforschung eine zentrale Rolle. Bogen- und Funkenlicht sind allerdings längst modernen Strahlquellen wie Laser, Synchrotrons und Freie-Elektronen-Laser gewichen. Zur Detektion dienen ausgeklügelte zeit- und positionsempfindliche Detektoren statt Fluoreszenzschirmen. So wird in der Oberflächenphysik mit Photoelektronenspektroskopie routinemäßig die elektronische Struktur neuer Materialien untersucht, in der Molekülphysik dienen Femtosekundenmethoden dazu, die intramolekulare Dynamik an freien Molekülen direkt zu analysieren, und in der Atomphysik ist die Anregung in inneren Schalen bis in den Attosekundenbereich direkt messbar. Zudem übersteigen die elektrischen Feldstärken in intensiven Laserfeldern diejenigen elektronischer Bindungen, sodass die Ionisation feldgetrieben stattfindet. ...
Durchkämmte Spektren
Frequenzkamm und Atomuhr erlauben es, die Spektrometer genauer zu kalibrieren, mit denen sich extrasolare Planeten aufspüren und die Dynamik des Universums untersuchen lassen.
Nur um wenige Zentimeter pro Sekunde ändert sich periodisch die Geschwindigkeit eines sonnenähnlichen Sterns, den ein erdähnlicher Planet umkreist. Um dieselbe Größenordnung wächst auch innerhalb von zehn Jahren die Geschwindigkeit, mit der sich ausgewählte Objekte von uns wegen der Expansion des Universums entfernen. Diese Geschwindigkeitsänderungen führen zu kleinsten Linienverschiebungen in Sternspektren. Die Kalibrierung von Spektrometern mithilfe eines Frequenzkamms sollte es ermöglichen, diese Verschiebungen nachzuweisen und damit neue Exoplaneten aufzuspüren oder die Beschleunigung des Universums „live“ zu beobachten.
Die Frage nach dem Alter des Universums ließ sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch gar nicht beantworten, und in der zweiten Hälfte wurden Werte genannt, die sich um einen Faktor zwei unterschieden. Doch inzwischen hat sich die Kosmologie zu einer präzisen Wissenschaft entwickelt: Heute wissen wir, dass das Universum 13,72(12) Milliarden Jahren alt ist, mit einer Unsicherheit von weniger als einem Prozent. Auch andere Parameter sind wesentlich genauer bekannt. Dies verdanken wir präzisen Messungen der räumlichen Verteilung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds sowie der Geschwindigkeiten von astronomischen Objekten. Grundlage dafür, dass sich Geschwindigkeiten über die Rotverschiebung von Spektrallinien messen lassen, ist der Doppler-Effekt.
Dieser Effekt beschreibt, wie sich die wahrgenommene Frequenz f einer Welle durch die Geschwindigkeiten der Quelle vq und des Empfängers ve ändert. In der Akustik gilt:
Hierbei sind c die Phasengeschwindigkeit der Welle und f0 die ausgesendete Frequenz im Ruhesystem der Quelle. Der Näherungsausdruck für c >> ve,q auf der rechten Seite verdeutlicht, dass es sich um einen rein geometrischen Effekt handelt. Setzt man dort für die Frequenz f0 = c/λ ein, zeigt sich, dass sich die Frequenzveränderung aus der Anzahl der Wellenfronten pro Zeiteinheit ergibt, die durch die Relativgeschwindigkeit Δv = vq – ve verloren gehen oder zusätzlich den Empfänger erreichen (je nach Vorzeichen von Δv). ...
Geschichte
Verdienste und Verfehlungen
Zum 150. Geburtstag von Philipp Lenard (1862 – 1947)
Nur wenig erinnert heute an Philipp Lenard. Allenfalls das in älteren Lehrbüchern erwähnte Lenard-Fenster wird noch mit ihm in Verbindung gebracht. Um so bekannter ist sein Name bei allen, die sich mit der Geschichte der Naturwissenschaften im Nationalsozialismus beschäftigt haben. Mit seinem zwischen 1936 und 1944 vielfach aufgelegten Lehrbuch „Deutsche Physik“ versuchte Lenard Relativitäts- und Quantentheorie als „jüdische Physik“ zu diskreditieren.
Als Lenard 1905 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, war er der angesehenste Physiker in Deutschland. An ihn wandte sich Friedrich Althoff, der legendäre Hochschulreferent im preußischen Kultusministerium, als er 1906 ein außeruniversitäres „Institut für Physikalische Forschung“ gründen wollte, mit der Bitte, in einer Denkschrift darzulegen, was ein solches Institut leisten könnte. Zweifellos hatte er Lenard auch als Direktor des zu gründenden Instituts ins Auge gefasst. Die Episode zeigt, dass Lenard damals in der Hierarchie der deutschen Physiker ganz oben stand; insbesondere war sein Prestige weit größer als das des in der Öffentlichkeit aufgrund seiner spektakulären Entdeckung viel bekannteren Wilhelm Conrad Röntgen.
Wäre Lenard damals im Alter von 44 Jahren gestorben, dann wäre er uneingeschränkt als großer Gelehrter in die Geschichte eingegangen, so wie sein Bonner Lehrer Heinrich Hertz, der nur 36 Jahre alt geworden ist. Wie nach Hertz wären auch nach Lenard bis heute Schulen, Straßen und Plätze benannt worden. Als Lenard aber 1947 starb, war sein Ruf so nachhaltig ruiniert, dass er aus dem historischen Gedächtnis weitgehend verdrängt wurde. Erst vor zwei Jahren erschien eine kritische und kommentierte Ausgabe von seiner Autobiografie [2], deren Existenz seit 1965 bekannt ist ([3], S. 248), und im Gegensatz zu Planck, Einstein, Röntgen und Hertz – um nur einige seiner prominenten Zeitgenossen zu nennen, die schon mehrere Biografen gefunden haben – gibt es über ihn bisher nur einige Gedenkartikel. ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
Walter Lewin, Warren Goldstein: Es funktioniert! – Vom Vergnügen, endlich Physik zu verstehen
Tagungsberichte
Free Electron Lasers: from Fundamentals to Applications
503. WE-Heraeus-Seminar