In der Experimentierhalle der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz (SLS) am Paul-Scherrer-Institut (PSI) macht Synchrotronstrahlung verborgene Details von Nanomagneten sichtbar. (vgl. S. 27, Bild: PSI)
Physik Journal 6 / 2013
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
High-Tech
Im Brennpunkt
Heiß wie die Sonne
Ein neues Experiment zum Schmelzen von Eisen bei hohem Druck ergibt erstmals ein konsistentes Bild der Temperatur im Erdkern.
Präzision am Antiproton
Ein Fallenexperiment am CERN bestätigt mit bislang unerreichter Genauigkeit, dass die magnetischen Momente von Proton und Antiproton übereinstimmen.
Forum
Die großen Fragen im Fokus
Ziele und Aktivitäten des Exzellenzclusters „Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter“ in Mainz
Allen Anlass zur Freude hatten die Physikerinnen und Physiker der Universität Mainz im Juni 2012: In der zweiten Runde der Exzellenzinitiative hatten sie sich mit ihrem Antrag für den Exzellenzcluster „Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter“ (PRISMA) durchgesetzt. Im Grunde geht es dabei um die ganz großen Fragen nach der Natur der Dunklen Materie oder der Physik jenseits des Standardmodells, die Heerscharen von Physikern weltweit mit dem Large Hadron Collider oder anderen Großexperimenten beantworten möchten. Welche Beiträge können dazu 250 Wissenschaftler im Rahmen eines auf fünf Jahren genehmigten und mit 30 Millionen Euro finanzierten Exzellenzclusters leisten? „Wir fokussieren uns auf einige wenige Fragen, die wir mit sehr komplementären Methoden beantworten möchten“, erläutert Hartmut Wittig, Professor für theoretische Physik und einer der beiden Cluster-Koordinatoren.
vier Strukturmaßnahmen. Eine davon, ein neuer Beschleuniger, wird mit 10 Millionen Euro allein ein Drittel der gesamten Mittel kosten. Der „Mainz Energy-Recovering Superconducting Accelerator“ MESA soll am Institut für Kernphysik entstehen, das bereits seit vielen Jahren Beschleuniger betreibt. Beim Bau der supraleitenden Beschleunigerkavitäten profitiert das Institut von der aufwändigen Fertigungsinfrastruktur, die am Helmholtz-Institut Mainz, dem wichtigsten außeruniversitären Partner von PRISMA, zur Verfügung stehen wird. MESA ist ein Elektronenbeschleuniger mit einer Schwerpunktsenergie zwischen 150 und 200 MeV. „Das liegt Größenordnungen unterhalb der Energie des LHC“, sagt Wittig, „aber seine extrem hohe Strahlintensität wird zwei neue Schlüsselexperimente ermöglichen“. Diese sind die Suche nach „dunklen Photonen“ sowie die hochpräzise Messung des „elektroschwachen Mischungswinkels“ bei niedrigen Energien.
Dunkle Photonen sind hypothetische schwere Verwandte der „normalen“ Photonen, denen sie in vielen Eigenschaften ähneln und mit denen sie mischen. Sie tauchen in den verschiedensten Erweiterungen des Standardmodells als Vermittler einer neuen fundamentalen Kraft auf und koppeln an Dunkle Materie. Theoretiker haben in den vergangenen Jahren ein ganzes Spektrum von Modellen entworfen, die mithilfe dieser neuen Teilchen sowohl einige Anomalien in der Astrophysik als auch das unverstandene magnetische Moment des Myons erklären können. Dunkle Photonen könnten entstehen, wenn der intensive Elektronenstrahl von MESA auf ein Target prallt; zerfallen würden sie in ein Paar aus Elektron und Positron, das aus einem riesigen Hintergrundsignal heraus zu filtern ist. „Die Existenz eines dunklen Photons ist zugegebenermassen spekulativ, seine Entdeckung wäre jedoch eine wissenschaftliche Sensation“, meint Matthias Neubert, ebenfalls theoretischer Physiker und PRISMA-Koordinator. ...
Überblick
Magnetische Nanowelt
Mikroskopie mit Synchrotronstrahlung ermöglicht eine Reise in die faszinierende Welt der Nanomagnete.
Magnete mit Abmessungen im Nanometerbereich zeigen nicht nur spannende Physik, sondern bieten auch ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten. Eine besondere Rolle bei diesen magnetischen Zwergen nimmt das so genannte superparamagnetische Verhalten ein, sei es als gewünschter Effekt bei der Verwendung in der Medizin oder als limitierender Faktor bei der voranschreitenden Miniaturisierung in der Datenspeicherung. Neue Methoden erlauben es, das Verhalten von einzelnen Nanomagneten zu untersuchen und deren Eigenschaften gezielt zu beeinflussen.
Ohne magnetische Materialien würde unsere Welt anders aussehen, denn obwohl wir uns im Alltag nicht immer dessen bewusst sind, spielen Magnete und ihre Felder eine wichtige Rolle für das Leben. So schützt das Erdmagnetfeld uns und die Atmosphäre vor kosmischer Strahlung und ermöglicht die Orientierung. Magnete erleichtern auch unser Leben, beispielsweise als einfache Permanentmagnete am Kühlschrank oder als High-Tech-Magnete mit optimierten Eigenschaften in Transformatoren, Motoren und Generatoren. Daneben nimmt die Bedeutung von Nanomagneten in der Technologie zu. So werden in Festplatten die Informationen in magnetischen Dünnschichtsystemen gespeichert und mittels magnetischer Sensoren ausgelesen.
Der Bedarf an magnetischen Datenspeichern nimmt wegen des rapide wachsenden Internetverkehrs und Cloud-Computings weiterhin zu, obwohl alternative Flash-Speicher bereits weit verbreitet sind. Deshalb wird intensiv nach neuen magnetischen Materialien geforscht, die eine höhere Speicherdichte erlauben. Allerdings reichen bei hinreichend kleinen Strukturen schließlich thermische Fluktuationen aus, um die Magnetisierung spontan zu ändern, sodass eine dauerhafte Speicherung von Informationen nicht mehr möglich ist. Dieses superparamagnetische Verhalten gilt es daher zu überlisten. Anders sieht es in der Medizin aus. Hier wird an Methoden geforscht, Krebstumore mittels magnetischer Wechselfelder zu zerstören (Hyperthermie). Dafür eignen sich magnetische Nanopartikel mit funktionalisierter Oberfläche, die sich nur an den Krebszellen anlagern. Ein elektromagnetisches Wechselfeld regt die Magnetisierung der Nanoteilchen zu Schwingungen an, und die dabei erzeugte Wärme zerstört gezielt den Krebstumor. Hierbei sind nun superparamagnetische Teilchen erwünscht, da diese sich mit vergleichsweise kleinen Feldstärken und hochfrequent ummagnetisieren lassen. Außerdem unterdrücken die Fluktuationen die Anziehung zwischen den Partikeln, die somit nicht verklumpen. ...
Ideale Photonen auf Bestellung
Halbleiterbasierte Quellen für einzelne Photonen oder für verschränkte Photonen haben ein großes Potenzial für die photonischen Quantentechnologien.
Quantennetzwerke, in denen Lichtteilchen Informationen transportieren, oder optische Quantencomputer benötigen ganz spezielle Photonen: Diese sollten in sämtlichen ihrer physikalischen Eigenschaften identisch sein und sich einzeln oder als verschränktes Paar auf Bestellung erzeugen lassen. Besonders vielversprechende nichtklassische Lichtquellen sind hierbei optisch-resonant oder elektrisch gepumpte Halbleiter-Quantenpunkte. Eingebettet in Mikro- und Nanoresonatoren bzw. in integrierte photonische Schaltkreise könnten sie in Zukunft neuartige Quanteninformationstechnologien ermöglichen.
In den letzten Jahren gab es immense Fortschritte auf dem Weg zu Technologien, die wesentlich auf quantenmechanischen Gesetzen beruhen und insbesondere die Verschränkung ausnutzen. Zur Entwicklung dieser Technologien gibt es unterschiedlichste Ansätze, wobei solche aus der Photonik eine besondere Rolle spielen. Dazu zählen das optische Quantencomputing und die Quanteninformationsverarbeitung. Diese benötigen Lichtquellen, die deterministisch einzelne Photonen und/oder verschränkte Photonenpaare erzeugen. Idealerweise sollte eine solche Quelle eine sehr hohe Reinheit und Effizienz besitzen, d. h. sie sollte für jeden Anregungszyklus genau ein Photon bzw. ein Photonenpaar emittieren, das die Quelle auch verlassen muss. Die grundlegende Idee besteht darin, einen einzelnen Quantenemitter mit einem kurzen optischen oder elektrischen Puls anzuregen und das anschließend emittierte Photon für die gewünschte Anwendung zu nutzen. Als Emitter eignet sich beispielsweise ein Atom, ein Molekül, ein Halbleiter-Quantenpunkt (Quantum Dot, QD), eine Störstelle in einem Halbleiter oder ein Fehlstellenzentrum in Diamant.
Moderne Epitaxieverfahren ermöglichen es, Halbleiter-Quantenpunkte selbstorganisiert herzustellen. Hierzu wird ein Halbleiter mit kleinerer Bandlücke (InAs) in einen anderen mit größerer Bandlücke (GaAs) eingebettet. Dadurch entsteht ein effektives Potential, das einzelne Ladungsträger wie Elektronen oder Löcher einschließen kann. Die Ausdehnung des Quantenpunkts liegt typisch bei einigen zehn Nanometern und damit unterhalb der De-Broglie-Wellenlänge, sodass sich diskrete Energiezustände ausbilden.
Quantenpunkte zeichnen sich gegenüber anderen Emittern durch eine Reihe von Vorteilen aus: So lässt sich durch die Wahl der Halbleitermaterialien und deren genauer Zusammensetzung (z. B. für den ternären Halbleiter InxGa1–xAs, mit x zwischen 0 und 1) die Emissionswellenlänge nahezu beliebig im sichtbaren und nahen infraroten Spektralbereich einstellen. Zudem erlaubt es die ausgereifte Halbleitertechnologie, die QDs in photonische Kristalle, komplexe Mikro-und Nanoresonatoren oder in dotierte pin-Strukturen1) für die elektrische Anregung einzubetten. Der Einbau in Resonatorstrukturen mit hoher Güte und kleinem Modenvolumen führt dazu, dass sich die Rate für spontane Emission des Emitters erhöht und die Photonen vorzugsweise in die Resonatormode ausgesendet werden. Das ermöglicht letztlich eine hohe Sammeleffizienz. Ferner lassen sich in einem QD über ein einzelnes Elektron-Loch-Paar (Exziton X) hinaus auf einfache Weise auch zwei Elektron-Loch-Paare gleichzeitig (ein Biexziton XX) anregen. Über eine Emissionskaskade können dann polarisationsverschränkte Photonenpaare entstehen. („Elektron-Loch-Paar“ und „Exziton“ verwenden wir hier synonym, da in einem Quantenpunkt Elektronen und Löcher aufgrund des Einschlusspotentials so nah beieinander sind, dass zwischen beiden immer die Coulomb-Wechselwirkung wirksam ist.) ...