Moderne Prothesen ermöglichen den Anwendern ein fast normales Leben. Hobbys wie Wandern oder Schwimmen sind damit kein Problem. (Bild: Ottobock, vgl. S. 25)
Physik Journal 10 / 2015
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
High-Tech
Im Brennpunkt
Sofort harmonisch
Mit intensiven Terahertz-Feldern lassen sich in Festkörpern fast instantan hohe Harmonische erzeugen.
Weyl es Zeit war
Erstmals wurde ein masseloses Fermion in Form eines Quasiteilchens in der kondensierten Materie entdeckt.
Bildung - Beruf
Physik für Patienten
Die Medizintechnik ist eine Wachstumsbranche, in der auch viele Physikerinnen und Physiker arbeiten.
Alle Augen sind auf den Laufsteg gerichtet. Ein junger Mann schreitet ihn entlang – aufrecht und selbstbewusst, aber doch nicht ganz so elegant, wie man es vielleicht bei einer Modenschau erwarten könnte. Ein Bein bewegt sich ganz normal, beim anderen schwingt das Knie ruckartig von der Beugung zurück in die gestreckte Position. Trotz der fehlenden Eleganz sind alle Menschen rund um den Laufsteg zufrieden: Die Knieprothese funktioniert zuverlässig.
Rund 40 000 bis 60 000 Beinamputationen finden jährlich in Deutschland statt, dazu mehrere tausend Amputationen eines Arms. Jeder dieser Eingriffe bedeutet für den Betroffenen zunächst einen großen Schock und auch eine große Einschränkung. Und doch gibt es inzwischen Prothesen, die viele Körperfunktionen übernehmen, die mitdenken und den Anwendern speziell bei Amputationen der unteren Extremität ein fast normales Leben ermöglichen. Einer der größten Hersteller von Prothesen ist das Familienunternehmen Ottobock mit Sitz in Duderstadt, das der Orthopädiemechaniker Otto Bock 1919 gegründet hat, um Kriegsversehrte mit Prothesen zu versorgen. Heutzutage beschäftigt das gesamte Unternehmen weltweit mehr als 7000 Mitarbeiter. Den Geschäftsbereich „Prothetik untere Extremität Mechatronik“ leitet seit Juni 2014 der promovierte Physiker Andreas Eichler.
Zur Medizintechnik ist er eher durch Zufall gekommen: Just in dem Moment, in dem er eine neue berufliche Herausforderung gesucht hat, wurden im Zuge einer Umstrukturierung die Geschäftsbereiche „Prothetik für die obere und untere Extremität“ von Duderstadt von Wien verlagert. Eichler bewarb sich auf die Stelle des Bereichsleiters und passte als promovierter Physiker mit wirtschaftlichem Hintergrund perfekt in das Profil. „Wichtiger als mein Physikstudium waren vielleicht mein MBA und meine Produktmanagementfähigkeiten, die ich mir bei meinem letzten Arbeitgeber angeeignet habe“, verrät Andreas Eichler. Vorher war er in der Papierindustrie tätig und bei einem großen Konzern für Entwicklung, Produktmanagement und Prozesstechnologie zuständig. „Das war ein ganz anderes Produkt, aber die Abläufe und Herausforderungen waren doch sehr ähnlich“, ist Eichler überzeugt.
Forum
Eine gute Idee!
Vom 4. bis 12. Juli fand in Hannover zum fünften Mal die IdeenExpo statt mit dem Ziel, Jugendliche für Berufe in Technik und Naturwissenschaften zu begeistern.
Anfang Juli bietet sich ein ungewöhnliches Bild auf der Hannoveraner Messe: An einem sonnigen Freitagvormittag vor der Ferienzeit schwärmen unzählige Jugendliche über das Gelände. In den Hallen dröhnt und hämmert es, viele Jugendliche tragen Laborkittel und Schutzbrillen und stellen konzentriert verschiedene Dinge her. All dies ist Teil der IdeenExpo – einer Mitmach- und Erlebnisveranstaltung, die in diesem Jahr zum fünften Mal in Hannover stattgefunden hat. Hauptzielgruppe sind Schüler der Jahrgänge 8 bis 13.
2007 wurde die IdeenExpo als Reaktion auf den Fachkräftemangel in Deutschland ins Leben gerufen. Ziel der Veranstaltung ist es, Interesse für Naturwissenschaften und Technik bei jungen Menschen zu wecken und ihnen die vielfältigen Möglichkeiten in den MINT-Berufsfeldern aufzuzeigen. Herzstück der Ausstellung sind Exponate mit Erlebnischarakter, die durch das eigene Ausprobieren komplexe Vorgänge veranschaulichen und dadurch bleibenden Eindruck hinterlassen sollen. Abgerundet wird das Programm durch Workshops, Live-Shows, Vorträge und ein Abendprogramm mit bekannten Bands.
Mit 230 Ausstellern, mehr als 600 Mitmach-Exponaten, rund 650 Workshops, einer Ausstellungsfläche von mehr als 100 000 Quadratmetern und 351 000 Besuchern in diesem Jahr hat sich die IdeenExpo zum europaweit größten Jugendevent für Naturwissenschaften und Technik gemausert. An der Veranstaltung, die alle zwei Jahre stattfindet, beteiligen sich Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Schulen aus dem gesamten Bundesgebiet...
Überblick
Quantengase unter dem Mikroskop
Neue Abbildungs- und Manipulationstechniken erlauben es, ultrakalte Quantengase bis hin zu einzelnen Atomen zu beobachten und zu kontrollieren.
Festkörperphysikern wird es sicher auch in Zukunft versagt bleiben, jedes einzelne Elektron direkt beobachten, geschweige denn manipulieren zu können. Mit mesoskopischen Systemen aus ultrakalten Atomen statt Elektronen ist dieser Traum dank neuer Detektionstechniken jedoch Wirklichkeit geworden. Dies eröffnet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, um Quanten-Vielteilchensysteme zu charakterisieren und zu manipulieren. Die Anwendungen reichen von der Quantenoptik, Quanteninformation und Festkörperphysik bis zur Quantenfeldtheorie und statistischen Physik.
Die mikroskopische Anordnung und Bewegung von Elektronen in einem Festkörper bestimmt die makroskopischen Eigenschaften von Materialien. Oft ist dieser „Tanz“ der Elektronen hochkomplex und hochkorreliert, d. h. die Teilchen bewegen sich nicht unabhängig voneinander, sondern in einem komplexen Wechselspiel. Eine der großen fundamentalen Herausforderungen der Vielteilchenphysik in Quantensystemen besteht darin, diese Bewegung von Quantenteilchen zu verstehen und vorauszusagen. Als Experimentatoren wünschen wir uns dabei einen möglichst tiefen Einblick in dieses mikroskopische Quantentreiben und seine möglichst gute Kontrolle. Bislang gelang dies − höchst erfolgreich − durch immer bessere Mikroskope, vom Elektronenmikroskop über Rastertunnelmikroskope bis hin zu modernen kohärenten Röntgenquellen. Bisher versagt blieb es Experimentatoren jedoch, Schnappschüsse eines Festkörpers aufzuzeichnen, die jedes einzelne Elektron sichtbar machen. Eine solche „ultimative“ Beobachtung scheint unmöglich − in mesoskopischen Systemen ultrakalter Atome ist dieser Traum jedoch in den letzten Jahren Wirklichkeit geworden. Damit haben sich nicht nur neue Wege zur Charakterisierung von Quanten-Vielteilchensystemen ergeben, sondern auch neue Möglichkeiten zur Kontrolle über diese Systeme, angefangen von den elementarsten Bausteinen aus einzelnen Atomen.
Ausgangspunkt für die Experimente sind ultrakalte atomare Quantengase in künstlichen Kristallen aus Licht („optische Gitter“). Die Atome spielen die Rolle der Elektronen oder Cooper-Paare in einem Festkörper, dessen periodisches Ionengitter durch das optische Gitter ersetzt wird (Abb. 1). Durch Interferenz von Laserstrahlen lassen sich nahezu beliebige defektfreie Lichtgitter realisieren. Die Atome nehmen diese als Potentialgebirge wahr und können sich darin durch quantenmechanisches Tunneln von einem Gitterplatz zum nächsten bewegen. Zwei Gitterplätze in diesem optischen Kristall sind etwa 500 nm bis 1 μm voneinander entfernt, also etwa 10 000-Mal weiter als in einem typischen Festkörper. Dies erlaubt es prinzipiell, Atome in diesem künstlichen Festkörper optisch direkt zu detektieren, erfordert aber auch deutlich niedrigere Temperaturen, damit die de-Broglie-Materiewellenlänge groß genug wird, um eine Quantenentartung herzustellen. Typischerweise wechselwirken neutrale Atome nur lokal, also wenn sich zwei Atome auf einem Gitterplatz befinden. Dies sind die wichtigsten Zutaten des Hubbard-Modells, eines der prominentesten Modelle der Festkörperphysik für wechselwirkende Teilchen auf einem Gitter. Schon dieses einfache Modell zeigt ein reichhaltiges Phasendiagramm. Im Folgenden wollen wir uns auf bosonische Teilchen in einem Gitter konzentrieren und an diesem Beispiel zeigen, welche neuen Detektionsmöglichkeiten bisher Realität geworden sind.
Physik der Intermediärfilamente
Biophysikalische Prozesse bestimmen wesentlich das Verhalten von Proteinen in der Zelle.
Lange Zeit galten Intermediärfilamente lediglich als statische Strukturproteine in der Zelle. Inzwischen häufen sich jedoch die Hinweise, dass sie durchaus dynamisch hierarchische Strukturen bilden, als „Fracht“ mit molekularen Motoren wechselwirken und die mechanischen Eigenschaften von Zellen stark beeinflussen. So können Mutationen dieser Proteine die Ursache schwerer Krankheiten sein. Das Interesse von Biophysikern an der Erforschung von Intermediärfilamenten ist daher in den letzten Jahren stark gestiegen.
Kleine Mutationen im Erbgut können schwerste Erkrankungen auslösen. Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die Alexander-Krankheit, bei der die weiße Substanz von Gehirn und Rückenmark zunehmend abgebaut wird, die Progerie (eine Erkrankung, die zu vorzeitigem Altern führt) und zahlreiche Hautkrankheiten rühren alle von Mutationen in derselben Klasse von intrazellulären Proteinen her, den Intermediärfilamenten (IF) [1]. Noch ist man weit davon entfernt, die zugrunde liegenden Mechanismen hinter all diesen Krankheiten zu verstehen. Jedoch ist es ein wichtiges Ziel der medizinischen Forschung, einzelne Intermediärfilamente sowie deren Strukturen in der Zelle genau zu untersuchen. Während der Fokus dabei zunächst auf den biologischen und biochemischen Zusammenhängen lag, wurde in den letzten Jahren zunehmend klar, dass auch biophysikalische Prozesse das Verhalten dieser Proteine und der hierarchischen Strukturen, die sie bilden, definieren [2, 3].
Intermediärfilamente bilden zusammen mit Aktinfilamenten und Mikrotubuli, ergänzt durch zahlreiche Bindeproteine, welche die Filamente verlinken und bündeln, sowie Motorproteine, die sich entlang der Filamente bewegen und dadurch Kräfte erzeugen, das Skelett der Zelle (Abb. 1). Dieses Zytoskelett bestimmt unter anderem die mechanischen Eigenschaften von Zellen und Gewebe, beispielsweise die Reißfestigkeit der Haut, die Elastizität von roten Blutkörperchen oder die Krafterzeugung in Muskelzellen. Das Zytoskelett ist eine Art „Verbundmaterial“, das durch die Kombination dreier verschiedener Filamenttypen völlig neue Eigenschaften hervorbringt [4]...
Geschichte
Von „neuen Sternen“ zum Doppelquasar
Die Idee der Gravitationslinsen hat einen frühen Ursprung und eine wechselhafte Geschichte.
Die Idee einer Gravitationslinse ergibt sich sehr natürlich aus den Prinzipien der geometrischen Optik, sobald man ein Gesetz der Ablenkung von Lichtstrahlen im Gravitationsfeld hat. Einstein befasste sich damit bereits vor dem Ersten Weltkrieg in unveröffentlichten Notizen. In den folgenden Jahrzehnten kam die Idee mehrmals wieder auf, fiel aber auch immer wieder in Vergessenheit.
Im September 1911 veröffentlichte Einstein eine Arbeit, in der er eine Ablenkung der Lichtstrahlen beim Durchgang durch das Gravitationsfeld der Sonne herleitete [1] (Abb. 1). Diese Ableitung beruhte auf seiner bereits 1907 formulierten Hypothese der vollständigen Äquivalenz von gradlinig gleichförmig beschleunigten Bezugssystemen und konstanten, homogenen Gravitationsfeldern. Aus dieser Äquivalenzhypothese hatte Einstein geschlossen, dass die Lichtgeschwindigkeit vom Gravitationspotential abhängen sollte. Unter Verwendung des Huygens-Prinzips sagte Einstein in dieser Arbeit für Lichtstrahlen von Sternen, die sich hinter der Sonne befinden und gerade am Sonnenrand vorbei auf die Erde treffen, eine Winkelablenkung von 0,83“ vorher...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
E. O. Goebel, U. Siegner: Quantum Metrology: Foundation of Units and Measurements
DPG
Tagungen
Physical properties of nano-particles: Characterization and applications
Bad Honnef Physics School