01.12.2005

Book Review

Das Einstein-Jahr hat - wie nicht anders zu erwarten - eine regelrechte Bücherflut ausgelöst. Dagegen nimmt sich die Menge an CD-Veröffentlichungen sehr übersichtlich aus. Das ist kein Wunder, denn die Zahl der erhaltenen Original-Tondokumente von Albert Einstein ist nicht sonderlich umfangreich. Auf der Doppel-CD Verehrte An- und Abwesende aus dem supposé-Verlag sind die meisten erreichbaren Einstein-Aufnahmen versammelt und zusammen mit einem umfangreichen Booklet ansprechend verpackt. 1) Man erfährt beim Hören jedoch selten etwas völlig Neues, denn oft handelt es sich um abgelesene Statements, die auch im Druck erschienen sind. Man erlebt also nicht unbedingt Einstein in einer ungezwungenen und authentischen Atmosphäre. Allenfalls kann man seiner Stimme lauschen und versuchen, dadurch einen Eindruck vom Menschen Einstein zu erhaschen.

Nun hat auch die British Library in ihren Ton-Archiven gekramt und die Fundstücke zu Einstein auf der CD Historic Recordings 1930 - 1947 veröffentlicht. Neben zwei kürzeren Ton-Schnipseln und der bisher nicht veröffentlichten Aufnahme aus dem Jahr 1945 ("The post-war world") bietet dieser Silberling zwei Aufnahmen, die auch auf den supposé-CDs enthalten sind (in einem Falle sogar zusammen mit einer deutschen Fassung). Das Englisch Einsteins ist dabei - vorsichtig ausgedrückt - gewöhnungsbedürftig. In einigen Fällen hätte ich mir durchaus gewünscht, den Text noch einmal im Booklet nachlesen zu können. Das Herzstück der British Library-CD ist eine mehr als halbstündige Aufnahme vom "Savoy Hotel fund raising dinner", das am 28. Oktober 1930 in London stattfand. Anlass für das Dinner war ein Spendenaufruf für die notleidenden osteuropäischen Juden. Neben Einstein waren auch Berühmtheiten wie H. G. Wells und George Bernhard Shaw anwesend. Letzterer bestreitet mit seiner sehr launigen Festrede auf Einstein mehr als ein Drittel der "Einstein-CD". Aufgrund der Aufnahmetechnik - die Rede wurde direkt auf Platten mit vier Minuten Fassungsvermögen mitgeschnitten - fehlen Teile der Rede. Der Text ist jedoch vollständig im Booklet abgedruckt. Nach Shaws Bonmot-Reigen nimmt sich Einsteins (deutsche!) Ansprache etwas steif aus. Wer also partout möglichst alle O-Töne von Einstein besitzen möchte, der sollte sich die CD der British Library ruhig auch noch zulegen. Für alle anderen dürfte jedoch sicher das 2CD-Set des supposé-Verlages genügen.

Die markant mit e = mc 2 betitelte CD enthält, mit Ausnahme eines kurzen Ausschnitts, keine Originalaufnahmen Einsteins, sondern versammelt drei Hörfunkproduktionen des Deutschlandfunks über Einsteins Physik aus heutiger Perspektive. Die drei Sendungen befassen sich speziell mit der Kosmologie, der Gravitation und Einsteins kritischem Blick auf die Quantentheorie. In den durchaus unterhaltsamen Beiträgen kommen vor allem ¿Einsteins Erben¿ zu Wort, d. h. diejenigen Physiker, die sich heute mit Fragen befassen, die letztlich auf Einstein zurückgehen. Dazu zählt der Nachweis der Gravitationswellen, die Frage nach der Expansion des Universums oder die aktuellen Experimenten, welche die absurden Konsequenzen der Quantenmechanik erkunden. Ohne allzu sehr in die wissenschaftlichen Details abzugleiten, bietet die CD einen leichtverständlichen Überblick über die genannten Themen und vermittelt daneben auch ein Bild vom Werdegang Einsteins, das aktuelle wissenschaftshistorische Sichtweisen berücksichtigt.


Äußerst skurrile Einstein-Würdigungen versammelt Alles Albert - Einstein wie ihn keiner kennt. Diese CD verdankt sich einem Wettbewerb der Sendung "Zündfunk" des Bayerischen Rundfunks. Hobby- und Profimusiker wurden aufgefordert, sich ihren musikalischen Reim auf das berühmte Foto zu machen, auf dem Einstein seine Zunge herausstreckt. Herausgekommen ist ein bunter Stilmix von Klassik bis Punk. Die einzelnen Titel gehen zumeist kuriosen Assoziationen zu Einstein nach, die nicht immer ganz bierernst gemeint sind. Eher dürften sich viele Beiträge einer gewissen Bierlaune verdanken. So wird Einstein als "Chefelektriker auf dem Oktoberfest" ebenso besungen wie der Paradigmenwechsel der Quantenmechnik ("Der Alte würfelt nicht!"). Auch Albert Einstein selbst kommt zu Wort und liefert in seinem "Glaubensbekenntnis" von 1930 ein passendes Motto: Die "Erkenntnis von der Unfreiheit des Willens schützt mich davor, mich selbst und die Mitmenschen als handelnde und urteilende Individuen allzu ernst zu nehmen und den guten Humor zu verlieren."


Alexander Pawlak


Weitere Infos:

  • e = mc 2 - Wie der Wissenschaftler noch heute die Welt aus den Angeln hebt
    Random House Audio, Köln 2005, 79 Minuten,
    3 Tracks,
    ISBN 3-89830-951-7
  • Historic Recordings 1930 - 1947
    The British Library, London 2005, 68 Minuten, 7 Tracks, 24-seitiges Booklet,
    ISBN 0-7123-0521-1
  • Verehrte An- und Abwesende! - Originaltonaufnahmen 1921 - 1951
    supposé, Köln 2003, 2 CD-Set, 115 Minuten, 18 Tracks, 32-seitiges Booklet,
    ISBN 3-932513-44-4
  • Alles Albert
    BR Zündfunk & Trikont, München, 1994, 55 Minuten, 17 Tracks, Restexemplare sind für 5 Euro (zuzügl. Porto) erhältlich unter www.trikont.de/sonderangebote/sonderangebote.html.


1) vgl. die Besprechung von Matthias Hahn, Physik Journal, März 2005, S. 98

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