Broadway statt Jakobsweg
Vince Ebert: Broadway statt Jakobsweg, dtv, München 2020, broschiert, 368 S.,11,90 € ISBN 9783423349901
Vince Ebert
Warum ist eine Nation, die zum Mond flog, nicht in der Lage, eine funktionsfähige Duscharmatur herzustellen? Solche Fragen stellte sich Vince Ebert, als er für ein Jahr in den USA lebte. In seinem neuen Buch – der Basis seines aktuellen Bühnenprogramms – berichtet der Diplomphysiker aus dem Odenwald von seinem Abenteuer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Während andere Personen in seinem Alter oft auf der Suche nach Entschleunigung und Selbstfindung sind, suchte Vince Ebert eine neue Herausforderung. Er beschloss, nochmal neu durchzustarten und ein Jahr lang sein Glück als Stand-up-Comedian in New York zu versuchen − Broadway statt Jakobsweg, sozusagen. Im Buch berichtet er über seinen persönlichen American Dream, den die Corona-Pandemie nach neun Monaten jäh beendete. Auf diese geht er öfters ein, obwohl der Fokus des Buchs auf seinen Erfahrungen im Big Apple liegt.
Schonungslos stellt Ebert den American Way of Life der Deutschen Gründlichkeit gegenüber und streut immer wieder – teils sehr unerwartete – wissenschaftliche Fakten ein. Mit seinem physikalischen Gespür gelingt es ihm, die richtigen Fragen zu stellen, um die scheinbaren Widersprüchlichkeiten des amerikanischen Wesens zu ergründen. So erklärt er auch, warum die Amerikaner zum Mond geflogen sind, während die Deutschen ohne Reiserücktrittsversicherung nirgendwo hinfliegen.
Die Themen Risikobereitschaft und persönliche Freiheit stehen dabei oft im Fokus. Insbesondere spricht er auch das Thema Meinungsfreiheit an, deren zunehmende Einengung er als Kabarettist und Publizist persönlich zu spüren bekommt. Er rechnet mit der Political Correctness ab, in der er auch eine Gefahr für die Wissenschaft sieht: Manche wissenschaftliche Entdeckung ist in ihrer Zeit politisch unkorrekt gewesen. Auch mit Blick auf die Corona-Krise plädiert er für ein unvoreingenommenes Herangehen.
Das Buch ist trotz der mitunter ernsten Themen sehr kurzweilig und humorvoll geschrieben. Das breite Themenspektrum gibt viel Raum für Denkanstöße, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren: angefangen beim Versuch, ein Visum für die USA zu bekommen, über die Unterschiede in der Unterhaltungskultur, den Alltag in New York, Exkursionen in andere Bundesstaaten bis hin zur Flucht vor dem Lockdown zurück nach Europa. Auch die grundlegende Etikette für das erfolgreiche Überleben in New York, etwa beim Restaurantbesuch, beim Dating oder im Gespräch mit einem Texaner, stellt Ebert vor.
„Broadway statt Jakobsweg“ lädt auf unterhaltsame Weise dazu ein, dem Alltagstrott zu entkommen und sich mit der amerikanischen und deutschen Kultur auseinanderzusetzen. Ferner beweist Ebert mit diesem Buch: Es ist nie zu spät, ein versäumtes Auslandssemester nachzuholen!
Matthias Dahlmanns