Der Krieg der Astronomen
Miller, A.
Das vorliegende Buch präsentiert auf eine sehr unterhaltende Weise ein interessantes Stück Astronomie- und Physikgeschichte. Die Schwarzen Löcher gehören zu den astronomischen Gebilden, die auch in der breiteren Öffentlichkeit auf ein großes Interesse stoßen. Aber nur wenige wissen, dass der Inder Subrahmanyan Chandrasekhar, kurz Chandra, entscheidende Beiträge dazu geleistet hat, diese kosmischen Wunderobjekte zu verstehen. Der Autor schildert, wie der hochbegabte junge Mann aus der damaligen britischen Kronkolonie Indien nach England kommt und dort die moderne Astrophysik, aber auch die Ränke des Wissenschaftsbetriebes kennen und fürchten lernt. Er wird in den Streit zwischen Milne und Eddington über den Aufbau der Sterne hineingezogen, die aber beide den bahnbrechenden Ideen Chandrasekhars ablehnend gegenüberstehen. Nach der Übersiedlung in die USA erlebt dieser dort einen offenen Rassismus, der ihn in seinem beruflichen Fortkommen eine Zeit lang stark eingeschränkt hat.
Der dritte Teil des Buches schildert den schwierigen Weg zum Verständnis des Lebenslaufs der Sterne, mit Schwerpunkt auf den amerikanischen Beiträgen. Den Übergang zu den Schwarzen Löchern zu verstehen, bereitete den Astronomem große Probleme, da sie sich derart exotische Objekte zunächst schwer vorstellen konnten. Einfühlsam schildert der Autor die depressiven Perioden in Chandras Alter, die nach der Verleihung des Nobelpreises 1983 durch einen wissenschaftlichen Aktivitätsschub abgelöst wurden. Schließlich widmete er sich noch intensiv dem Werk Newtons und der Beziehung zwischen Schönheit und Physik. Am Schluss des Buches werden neue astrophysikalische Ergebnisse geschildert, die vor allem auch vom Röntgenobservatorium stammen, das vier Jahre nach Chandras Tod im Jahre 1995 ins All geschickt wurde und seinen Namen trägt.
Der Autor zeigt sehr gut auf, wie der Fortschritt der Wissenschaften durch viele außerwissenschaftliche Faktoren beeinflusst und behindert wird. Zu den unerfreulichsten unter diesen gehören rassistische und ideologische Vorurteile. Dass die Auseinandersetzung damit nicht so einfach ist, wie die junge Generation heute vielleicht meint, macht der Autor – vielleicht unabsichtlich – auch mit seinem Buch deutlich. In dem langen Kapitel über die Energieproduktion der Sterne, in dem auch die erste funktionierende Theorie dazu dargestellt wird, die heute unter dem Namen Bethe-Weizsäcker-Zyklus bekannt ist, gelingt es dem Autor, den Namen Weizsäcker nicht einmal zu erwähnen. Dass man ein Kapitel über die Kernspaltung mit einer Unzahl von Namen, aber ohne Hahn und Strassmann schreiben kann, lässt erkennen, dass die Überwindung von Vorurteilen wohl leider noch eine weiter andauernde Aufgabe im Felde der Wissenschaften bleiben wird.
Prof. Dr. Thomas Görnitz, Institut für Didaktik der Physik, J. W. Goethe-Universität Frankfurt/Main
A. Miller: Der Krieg der Astronomen
DVA, Stuttgart 2006
475 S., geb.