18.09.2003

Die Constitution der Materie. Eine Vorlesung über die Grundlagen der Physik aus dem Jahre 1884

Hertz

Die Constitution der Materie. Eine Vorlesung über die Grundlagen der Physik aus dem Jahre 1884
Von H. Hertz.
Springer, Heidelberg 1999. VII + 171 S., 22 Abb., Gebunden,DM 98,-.
ISBN 3-540-64389-3

Mehr als hundert Jahre nach dem Tod von Heinrich Hertz erschien jetzt erstmals das Manuskript einer Vorlesung mit dem Titel Ueber die Constitution der Materie, die der große Physiker bereits im Jahre 1884 zu Papier gebracht hatte. Wenngleich das Manuskript Fragment geblieben ist, so bietet es uns dennoch einen lebendigen und fast vollständigen Einblick in den aktuellen Forschungsstand der Physik im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Das Werk besteht aus zwei Teilen, von denen sich der eine mit dem Äther beschäftigt, während der andere Teil der so genannten ponderablen Materie gewidmet ist. Der Weltäther bildete am Ende des 19. Jahrhunderts einen zentralen Bestandteil des naturwissenschaftlichen Weltbildes, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass seine Behandlung etwa die Hälfte des Manuskriptumfanges in Anspruch nimmt. Dieser für den heutigen Leser etwas kurios anmutende Umstand ist andererseits von großem historischen Interesse. Hertz geht ausführlich auf die Eigenschaften des Äthers und auf dessen Bedeutung für die Lichtausbreitung ein. So verweist er etwa auf die empirisch untermauerte Schlussfolgerung, dass die Struktur des Äthers "unermesslich fein" sein müsste und dass seine Atome (falls er überhaupt welche besitzt) "von verschwindender Kleinheit" verglichen mit den Atomen der Chemie sein sollten. Die Probleme der Ätherphysik werden ausführlich dargelegt, wenngleich Hertz keinen Ausweg aus diesem Dilemma weist. Eine Lösung à la Einstein war zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne.

Der zweite Teil des Manuskripts beschäftigt sich mit der wäg- und beobachtbaren (ponderablen) Materie. Hier betritt der Autor wieder festen Boden, zumal sich deren Eigenschaften relativ gut angeben lassen. In diesem Zusammenhang wird auch die Proportionalität von träger und schwerer Masse diskutiert. Breiten Raum nimmt die Behandlung der atomistischen Struktur der Materie ein. In einer Zeit, in der der Atomismus in den Reihen der Physiker immer noch gewichtige Opponenten besaß, stellte sich Hertz offen auf die Seite der Atomisten. In klaren Worten und mit großem Scharfsinn stellt er Argumente für eine diskrete Struktur der Materie vor, die aus unterschiedlichen Bereichen der Physik gewonnen wurden. Dabei gibt er sich keineswegs damit zufrieden, lediglich die Existenz von Atomen zeigen zu wollen; vielmehr verweist er mit sicherem Gespür darauf, dass die kleinsten Bestandteile der Materie eine innere Struktur besitzen sollten. Das Werk ist - mehr als hundert Jahre nach seiner Entstehung - auch für den Physiker unserer Tage eine spannende, informative und vor allem geistreiche Lektüre.
Dr. Manfred Jacobi, Regensburg

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