20.05.2004
Dr. Bertlmanns Socken - Wie die Quantenphysik unser Weltbild verändert
Malin
Dr. Bertlmanns Socken
Wirklich gute und vor allem auch für Nichtphysiker verständliche Bücher über Quantentheorie kann es nicht genug geben. Die Übersetzung von Shimon Malins Buch "Nature loves to hide" als "Dr. Bertlmanns Socken" ist trotz des nur den Eingeweihten verständlichen Titels eine willkommene Bereicherung des deutschen Angebotes in diesem Feld. Malins spannendes Buch stellt das Weltbild, das aus den Ergebnissen der Quantenphysik folgt, in den Zusammenhang mit der abendländischen Philosophie.
Der erste Teil widmet sich der unausweichlichen Notwendigkeit, über die klassische Physik hinauszugehen. Einer klugen Auseinandersetzung mit Einsteins Ideen, vor allem mit seinen Vorstellungen über das Wesen der Zeit, schließt sich eine gut lesbare Darstellung der EPR-Problematik an. Dort werden die Überlegungen und Experimente erläutert, die dazu führen, dass man sich vom lokalen Realismus verabschieden muss.
Der zweite Teil interpretiert Aussagen Heisenbergs und Schrödingers über das Wesen der Quantentheorie im Lichte der Philosophien Platons und Whiteheads. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Unterscheidung zwischen Abstraktion und Fakten und dem "Trugschluss der unzutreffenden Konkretheit". Konkret sind Erfahrungen, die sich auf etwas beziehen, die Abstraktion eines "Objektes", welche die Basis des Realismus bildet, wird auf ihren Gültigkeitsbereich verwiesen. Anschließend erläutert Malin anschaulich den Kollaps der Wellenfunktion und dessen "atemporalen Charakter". Wenn man die Begrenztheit der wissenschaftlichen Methode erkennt, kann man dem Autor mit seiner These einer "Weltseele" folgen, die er ausdrücklich als eine nichtwissenschaftliche Aussage kennzeichnet.
Bevor der Schwerpunkt des dritten Teils sich auf die Beziehung zwischen der Quantentheorie und der Whiteheadschen Philosophie einlässt, um über Whitehead hinauszugehen, erhält der Leser eine kompakte Einführung in dessen Denkgebäude. Dass dabei das "materielle Substrat" als überflüssig entlarvt wird, dürfte sicher bei einigen ¿Realisten¿ Widerspruch hervorrufen. Eine sich anschließende und so einfühlsame Darstellung von Plotins Philosophie und deren Beziehung zu den Naturgesetzen hätte man in einem Buch über "Socken" gewiss nicht erwartet. Schließlich werden die Stellung des Menschen im Kosmos, das Verhältnis von Selbst und Ich und die Transzendenz des Subjekt-Objekt-Modus im Lichte des zuvor Entfalteten dargestellt. Im Anhang finden sich Erläuterungen zur Relativität von Gleichzeitigkeit und Länge und einiger Interpretationen der Quantentheorie. Ein wichtiges und empfehlenswertes Buch.
Prof. Dr. Thomas Görnitz, Institut für Didaktik der Physik, Universität Frankfurt a. M.
Weitere Infos:
S. Malin: Dr. Bertlmanns Socken - Wie die Quantenphysik unser Weltbild verändert
Reclam, Leipzig, 2003. 493 S., Geb., ISBN 3-379-00809-5
Wirklich gute und vor allem auch für Nichtphysiker verständliche Bücher über Quantentheorie kann es nicht genug geben. Die Übersetzung von Shimon Malins Buch "Nature loves to hide" als "Dr. Bertlmanns Socken" ist trotz des nur den Eingeweihten verständlichen Titels eine willkommene Bereicherung des deutschen Angebotes in diesem Feld. Malins spannendes Buch stellt das Weltbild, das aus den Ergebnissen der Quantenphysik folgt, in den Zusammenhang mit der abendländischen Philosophie.
Der erste Teil widmet sich der unausweichlichen Notwendigkeit, über die klassische Physik hinauszugehen. Einer klugen Auseinandersetzung mit Einsteins Ideen, vor allem mit seinen Vorstellungen über das Wesen der Zeit, schließt sich eine gut lesbare Darstellung der EPR-Problematik an. Dort werden die Überlegungen und Experimente erläutert, die dazu führen, dass man sich vom lokalen Realismus verabschieden muss.
Der zweite Teil interpretiert Aussagen Heisenbergs und Schrödingers über das Wesen der Quantentheorie im Lichte der Philosophien Platons und Whiteheads. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Unterscheidung zwischen Abstraktion und Fakten und dem "Trugschluss der unzutreffenden Konkretheit". Konkret sind Erfahrungen, die sich auf etwas beziehen, die Abstraktion eines "Objektes", welche die Basis des Realismus bildet, wird auf ihren Gültigkeitsbereich verwiesen. Anschließend erläutert Malin anschaulich den Kollaps der Wellenfunktion und dessen "atemporalen Charakter". Wenn man die Begrenztheit der wissenschaftlichen Methode erkennt, kann man dem Autor mit seiner These einer "Weltseele" folgen, die er ausdrücklich als eine nichtwissenschaftliche Aussage kennzeichnet.
Bevor der Schwerpunkt des dritten Teils sich auf die Beziehung zwischen der Quantentheorie und der Whiteheadschen Philosophie einlässt, um über Whitehead hinauszugehen, erhält der Leser eine kompakte Einführung in dessen Denkgebäude. Dass dabei das "materielle Substrat" als überflüssig entlarvt wird, dürfte sicher bei einigen ¿Realisten¿ Widerspruch hervorrufen. Eine sich anschließende und so einfühlsame Darstellung von Plotins Philosophie und deren Beziehung zu den Naturgesetzen hätte man in einem Buch über "Socken" gewiss nicht erwartet. Schließlich werden die Stellung des Menschen im Kosmos, das Verhältnis von Selbst und Ich und die Transzendenz des Subjekt-Objekt-Modus im Lichte des zuvor Entfalteten dargestellt. Im Anhang finden sich Erläuterungen zur Relativität von Gleichzeitigkeit und Länge und einiger Interpretationen der Quantentheorie. Ein wichtiges und empfehlenswertes Buch.
Prof. Dr. Thomas Görnitz, Institut für Didaktik der Physik, Universität Frankfurt a. M.
Weitere Infos:
S. Malin: Dr. Bertlmanns Socken - Wie die Quantenphysik unser Weltbild verändert
Reclam, Leipzig, 2003. 493 S., Geb., ISBN 3-379-00809-5
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