28.02.2012

Protest der Physiker – Die „Göttinger Erklärung“ von 1957

Robert Lorenz: Protest der Physiker – Die „Göttinger Erklärung“ von 1957, transcript-verlag, Bielefeld 2011, 402 S, geb., 33,80 €, ISBN 9783837618525

Robert Lorenz

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Mit dem Buch „Protest der Physiker. Die ‚Göttinger Erklärung‘ von 1957“ publiziert der Politikwissen­schaftler Robert Lorenz seine Dissertation. Es handelt sich dabei nicht, wie Lorenz vorgibt, um ein allumfassendes „Porträt“ der Göttinger Erklärung. Das Buch wird auch keinem „Nachholbedarf“ gerecht. Vielmehr versucht Lorenz in diesem Buch, das „politische Manifest“ als politikwissenschaftliches Konzept „anhand des Einzelfallbeispiels ‚Göttinger Erklärung‘ gleichsam zu kartografieren und zu veranschaulichen“.

Zu diesem Zweck druckt Lorenz die LeMo-Webfassung der Göttinger Erklärung mit dem Titel „Das Göttinger Manifest der 18 Atomwissenschaftler vom 12. April 1957“ als „Originaltext“ der Erklärung in seinem Buch ab. (Der Originaltext der Göttinger Erklärung ist im Artikel „Atomwaffen für die Bundeswehr?“ von Elisabeth Kraus im Physik Journal, April 2007, S. 38 zu finden.) Dieser Text ist jedoch lediglich eine der vielen unpräzisen und deutungsbefrachteten Veröffentlichungen der Erklärung.Dass die Göttinger Erklärung am 12. April 1957 der Presse ausdrücklich als „Erklärung“ übermittelt worden ist, ist für Lorenz ohne Belang.

Im ersten „Das Manifest“ überschriebenen Hauptteil seines Buchs stellt Lorenz die Göttinger Erklärung und das durch sie konstituierte Geschehen durchweg unter Verwendung von manifest-, demokratie- und medientheoretischen Konzepten dar. „Protest“ ist das Grundkonzept seiner Darstellung. Die Göttinger Erklärung ist seiner manifest-theoretischen Lesart nach eine Form des „zivilgesellschaftlichen Protests“, ihre Veröffentlichung eine „Protestaktion“ von Professoren, Wissenschaftlern und Elite-Personen. Zu guter Letzt ist sie der „Prolog der deutschen Anti-Atombewegung“.

Ebenfalls unter Verwendung theoretischer Konzepte, beispielsweise des „Elite“-Begriffs, konstruiert Lorenz im zweiten Hauptteil seines Buchs „die Motive“ der Unterzeichner. Die Achtzehn sind in manifest-theoretischer Perspektive eine gesellschaftliche Interessenpartei, die mit ihrer öffentlichen Erklärung die zivile Kernenergie befördern und als „blockierte Elite“ die Rückkehr an die Weltspitze der Kernforschung bewerkstelligen will. Letztlich beabsichtigt Lorenz das „alleinige Motiv der Verantwortung“, das er aus der Sekundärliteratur zur Göttinger Erklärung konstruiert, als Mythos zu entlarven und Karriere-, Image- und Statusinteressen als die verborgenen Motive der Achtzehn aufzudecken.

„Protest der Physiker“ ist ein aus der Sekundärliteratur heraus konstruiertes Buch. Über das wirkliche historische Geschehen, das durch die Göttinger Erklärung konstituiert wurde, und über die Unterzeichner erfährt der Leser wenig Zutreffendes.

Angemerkt sei noch, dass das Inhaltsverzeichnis unvollständig, das Zitieren mehrdeutig und das Argumentieren zumeist lediglich ein sprachliches Jonglieren ist. Das umfassende „Porträt“ der Göttinger Erklärung ist noch zu schreiben.

Dr. Elisabeth Kraus, Forschungs- und Bildungsreferentin für Wissenschaft, Ethik und Gesellschaft, Frankfurt am Main

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