24.06.2003

The Accelerating Universe

Livio


Von M. Livio. John Wiley, Chichester 2000. XIV + 274 S., Hardcover, ISBN 0-471-32969-X


Eine der großen Herausforderungen an die beobachtende Kosmologie besteht in der Bestimmung der so genannten kosmologischen Parameter, die Informationenüber Dynamik und Materie- bzw. Energiegehalt des Universums enthalten. Genauer handelt es sich unter anderem um den "Bremsparameter", der im Wesentlichen den Grad an Abbremsung bzw. Beschleunigung der kos mischen Expansionsbewegung angibt, die mittlere räumliche Krümmung und die so genannten Omega-Parameter, die die relativen Anteile verschiedener Materieformen an der mittleren Massen- bzw. Energiedichte im Universum parametrisieren. Unter letzteren muss man insbesondere zwei Beiträge unterscheiden: den, der in den Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) durch den"gewöhnlichen" Materieterm in Form des Energie-Impuls-Tensors erfasst wird und einen mehr exotischen Anteil, der im so genannten kosmologischen Term seinen formalen Niederschlag findet und der möglicherweise ganz oder teilweise auf quantenfeldtheoretische Schwankungserscheinungen im Vakuum zurückzuführen ist.
Messungen der Abhängigkeit von Leuchtkraft und Rotverschiebung ("Hubble-Plot")
an entfernten Supernovae eines bestimmten Typs, die in den letzten Jahren von zwei Gruppen mit maßgeblichem Einsatz auch
des Hubble-Space-Teleskops durchgeführt wurden, sowie Ausmessungen des Anisotropiespektrums des kosmischen Mikrowellenhintergrundes durch zwei Ballonexperimente haben nun unter anderem ergeben, dass das Universum flach oder nahezu flach ist, 70% der Gesamtenergiedichte dem kosmologischen Term zuzuschreiben ist und die Ex pansion momentan beschleunigtverläuft.
Die Gleichungen der ART sagen dann voraus, dass sich die Expansion für alle Ewigkeit beschleunigt fortsetzen wird. Getrieben wird diese Beschleunigung durch den riesigen negativen Druck des kosmologischen Terms, der die verzögernd wirkende positive Energiedichte dreifachüberwiegt.
Mario Livio ist Chef der"Hubble Space Telescope Science Division" und selbst aktiver Astrophysiker und Kosmologe. In seinem neuen Buch, welches beim Kosmos-Verlag in einer deutschenÜbersetzung erschienen ist, widmet er sichüberraschenderweise nicht in erster Linie einer populären Darstellung der spannenden Entwicklung seiner Wissenschaft, was auch durch den Titel nahegelegt wird, sondern setzt sich das Ziel, die neuen Sachverhalte unter einem künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkt zu sehen, in dem Schönheit ("beauty")der zentrale Begriff ist. Livio formuliert recht vage ein"cosmological aesthetic principle", dem zu genügen Schönheit definiert und die Existenzlegitimation einer jeden fundamentalen Theorie sein soll (S. 263). Ich glaube, es braucht nicht ausgeführt zu werden, wie problematisch ein solches Unterfangen ist. Gemäßdiesem Programm werden wissenschaftliche Inhalte teilweise doch sehr oberflächlich dargestellt (über die künstlerischen zu sprechen fühle ich mich nicht berufen) und- überraschenderweise- alte Vorurteile ohne Richtigstellungübernommen. So wird etwa erneut die (fälschliche) Meinung kolportiert, ein negativ gekrümmtes Universum müsse notwendig "offen" im Sinne von unendlichem Volumen sein (S. 135).
Auf der positiven Seite sei vermerkt, dass das Buch mitunter eine muntere Plauderei über moderne Kosmologie und Physik abgibt, die durchaus als erste Orientierung dienen kann, gespickt mit recht interessanten Bemerkungenüber Künstler und ihre Werke. Wer aber durch ein populäres Buch auch jenseits der Oberfläche erfahren möchte, was es mit den überraschenden Ergebnissen der modernen Kosmologie auf sich hat und auf welchen Hypothesen sie beruht, greift besser zu John Gribbins "The Birth of Time".
Dr. Domenico Giulini, Fakultät für Physik, Universität Freiburg

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