18.09.2003

Vom Quantenphysiker zum Dissidenten - Eine politische Biographie Fang Lizhis

Marcelin-Woltersdorf

Vom Quantenphysiker zum Dissidenten - Eine politische Biographie Fang Lizhis

Von A. Marcelin-Woltersdorf.
Brockmeyer, Bochum 1995. IV + 229 S., Softcover,
ISBN 3-8196-0402-2

Fang Lizhi (geb. 1936) ist als ,,Chinas Sacharov" und als "einer der Ziehväter der chinesischen Demokratiebewegung" bezeichnet worden. Dieses Taschenbuch besteht aus einer Beschreibung seiner Karriere und vor allem seiner Kritik an der chinesischen Regierung bis hin zum Tiananmen-Massaker. Seine Aktivitäten im Exil seit 1989 werden auch kurz angesprochen.

Schon als Student äußerte Fang in der Öffentlichkeit unverblümt seine Meinung zur Bildungspolitik, wobei er sich allmählich zu einem Redner entwickelte, der seine Zuhörerschaften mit furcht losen Attacken gegen Korruption und Verschwendung begeisterte. Er verstummte auch trotz der zweimaligen Ausstoßung aus der KP Chinas und anderer Repressionen nicht. In ruhigeren Zeiten stieg er durch die Ränge der Universität hinauf - unterbrochen beispielsweise von der Kulturrevolution, während deren er als "bourgeoiser Feind" ein Jahr in einem Kuhstall eingekerkert saß.

Ausgelöst von einem 1972er Aufsatz "über eine Lösung der kosmologischen Gleichungen in der Skalar-Tensor-Theorie", empörte Fang erneut die führenden theoretischen Kreise der Partei. Das Thema mag zuerst fachspezifisch und harmlos klingen, aber man denke daran, daß auch ins Deutsche übersetzte Physiktextbücher wie das von Blochin zew die Bedeutung der Kausalität in Quantenmechanik und dialektischem Materialismus ansprachen, und vor allem daran, daß die Bohmsche Theorie der versteckten Variablen in den USA der McCarthy-Ära politisch brisant war. Daß Fangs Artikel auf politischen Widerstand traf, hängt damit zusammen, daß Lenins "Materialismus und Empiriokritizismus" aus dem Jahre 1905, in dem ein unendliches Weltall postuliert wurde, für die Parteiideologen immer noch mehr Autorität besaß als etwa die Allgemeine Relativitätstheorie.

In den 1980er Jahren vertrat Fang den Standpunkt, daß Wissenschaftler als Gewissen der Menschheit der Demokratiebewegung zu dienen hätten. Der Partei galt er dabei als Aufwiegler, dessen Texte es zu widerlegen gab, was allerdings auch zur Verbreitung seiner Ideen führte.

Die Autorin hält sich meist eng an Fangs eigene Aussagen (vieles ist aus dem Chinesischen übersetzt), chronologisch organisiert. Im letzten Kapitel werden zudem noch ein halbes Dutzend Analysen seiner Bedeutung in der Geschichte des modernen Chinas vorgestellt und besprochen. Der Ehrgeiz, Fang Lizhi im politischen, bürokratischen, kulturellen Kontext zu sehen, hält sich in Grenzen, wodurch das Buch auch für Nicht-Sinologen leichter zu verdauen wird. Es gibt auf jeden Fall einen Anstoß, über die Rolle der Physik in der weiteren Welt nachzusinnen.

A. Hessenbruch, Cambridge

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