22.03.2005

Wieso können wir die Welt erkennen?

Vollmer

Wieso können wir die Welt erkennen?

Die Lektüre des aus zuvor erschienenen Essays zusammengesetzten Buches zeigt sofort, dass wir das zu betonende Wort des Titels ist. Der Frage, warum die Welt überhaupt hinreichend geordnet ist, um erkennbar zu sein, sind dagegen nur wenige Abschnitte gewidmet. Das Buch vertritt durchgängig einen "Hypothetischen Realismus" und trifft damit, wie ich denke, die Grundeinstellung aller seiner potenziellen Leser. Auf S. 36 erteilt der Autor Alternativvorstellungen wie "Idealismus, Positivismus, Instrumentalismus und Konstruktivismus" eine Absage, weil sie weniger erklären können als der Realismus. Gut so. Aber die inneren Probleme des Realismus werden nach meinem Geschmack zu kurz abgetan, wenn Vollmer auf der nächsten Seite 37 schreibt, dass ¿es nicht leicht sei, für empirisch gleichwertige Theorien, die einander widersprechen [ontologisch; meine Interpretation, aber wie anders könnten sie es denn, wenn sie doch empirisch gleichwertig sind?], konkrete Beispiele zu nennen.¿ Ach, die Beispiele drängen sich auf, und gerade darin besteht nach meiner Ansicht eine Krise des Hypothetischen Realismus. Erfreulich klar vertritt das Buch in mehreren Zusammenhängen die These Poppers, dass Widerlegungen beweiskräftiger sind als Bestätigungen.

Das Buch vertritt die Ansicht, dass außer Gestalten und Verhaltensweisen auch Denkungsarten angeboren sind. Hat man seinen Darwin verinnerlicht, ist nichts selbstverständlicher als das. Die essayistische Aufbereitung des Sachverhalts, der unter dem Namen "Evolutionäre Erkenntnistheorie" zu Ehren gekommen ist, ist verdienstvoll. Vollmer, der von der Physik über die Biologie zur Philosophie gekommen ist, ist sein wichtigster Vertreter. Seine Belege hier und anderswo überzeugen.

Die Sammlung von Vollmers Essays ist durchgehend interessant zu lesen. Eine auf alle Themen des Buches eingehende Besprechung hätte den zur Verfügung stehenden Rahmen zehnmal gesprengt. Als stilistische Besonderheit muss erwähnt werden, dass Vollmer Theorien und ihre Bewertungen so tabelliert, wie anderswo Börsenkurse tabelliert werden. Zwischen Zustimmung und Widerspruch schwankend, habe ich das Buch gern gelesen.

Prof. Dr. Henning Genz, Institut für theoretische Teilchenphysik, Universität Karlsruhe


G. Vollmer: Wieso können wir die Welt erkennen?
Hirzel, Stuttgart, 2003. 372 S., geb., 
ISBN 3-7776-1147-6



 

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