1.7.: Der längste Tag des Jahres
In der Nacht zum Mittwoch fügt die PTB eine Schaltsekunde in ihre Zeitsignale ein.
Genau drei Jahre nach der letzten Schaltsekunde ist es wieder soweit: In der Nacht zum 1. Juli 2015 wird es eine Extra-Sekunde geben. Damit werden die koordinierte Weltzeit UTC und unsere gesetzliche Zeit, aktuell die mitteleuropäische Sommerzeit MESZ, um eine Sekunde verlängert. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt folgt der Vorgabe des Internationalen Erd-Rotations-Service IERS in Paris und fügt die Schaltsekunde in die Signale ihrer Zeitdienste ein: in die DCF77-Zeitaussendung für Funkuhren, den Telefonzeitdienst und den Internet-Zeitdienst über NTP. Nötig ist diese Maßnahme, weil die Atomuhren gleichmäßiger „ticken“, als sich die Erde dreht.
Abb.: Sendemast von DCF77 in Mainflingen, südöstlich von Frankfurt/Main – mit normalen Langwellen-Radios lässt sich das Zeit-Signal zwar nicht empfangen, wohl aber mit Funkuhren, die die amtliche Zeit „drahtlos“ ins Haus oder ans Handgelenk holen. (Abb.: PTB)
„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“, soll Albert Einstein, einst Kurator der PTB-
Aus astronomischen Beobachtungen weiß man schon seit Langem, dass die Erde ganz allmählich langsamer wird – und zudem eiert sie, die Rotationsperiode ist veränderlich. Die Reibung der Gezeiten sorgt für ein stetiges Abbremsen der Erde. Die Lage der Rotationsachse im Erdkörper verändert sich – und zusätzlich können Erdbeben, das Schmelzen der Gletscher und die Massenverteilung in der Atmosphäre im Lauf der Jahreszeiten die Drehgeschwindigkeit der Erde verändern. Der letztgenannte Effekt konnte erstmals mit den Quarzuhren der PTR in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts nachgewiesen werden.
„Atomuhren sind heute die Grundlage für die genaue Beobachtung der Erdrotation. Die von ihnen abgeleitete Uhrzeit passt aber eben nicht perfekt zu unserem ganz natürlichen Zeitmaß“, erklärt der Physiker Andreas Bauch, der in der PTB für die Aussendung der Zeitsignale zuständig ist. Bereits im Jahr 1972 hinkte die aus der Drehung der Erde abgeleitete Weltzeit der Atomzeit aus den Cäsium-Uhren um 10 Sekunden hinterher. Bis dahin hatte man Anpassungen in kleinen Schritten und zudem nicht weltweit auf die gleiche Weise vorgenommen. Dann entschloss man sich, fortan eine Zeitskala mit Schaltsekunden als weltweite Referenzzeit zu verwenden. Die Uhrzeit wird so näherungsweise im Einklang mit der Erdrotation, also der Weltzeit gehalten, immer innerhalb von 0,9 Sekunden. Seitdem machen Schaltsekunden aus der Atomzeit die „koordinierte Weltzeit“ UTC.
Wie unregelmäßig schnell sich die Erde dreht, sieht man daran, dass zwischen 1999 und 2006 sieben Jahre vergingen, bevor eine Schaltsekunde nötig wurde; danach waren es drei Jahre, dann 3,5 Jahre und jetzt wieder drei Jahre. Die aktuelle Tageslänge wird aus der Winkelstellung der Erde im Raum mit Bezug auf Quasare über Radioteleskope und auf die Satelliten des GPS-Navigationssystems ermittelt. Nun hat der Internationale Erd-Rotations-Service IERS, der diese Messungen sammelt und auswertet, die 26. Schaltsekunde seit dem 1.1. 1972 angeordnet. Sie wird weltweit zum selben Zeitpunkt eingefügt: am 30. Juni 2015 nach 23:59:59 koordinierter Weltzeit, in unserer gesetzlichen Zeit also am 1. Juli nach 01:59:59 Uhr. Chronometer, die in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Zeit gehalten werden sollen, müssen dann um eine Sekunde angehalten werden. Besitzer von Funkuhren brauchen sich um nichts zu kümmern. Das Programm des Langwellensenders DCF77 in Mainflingen, über den die PTB die Zeitsignale aussendet, wurde bereits für die Einführung der Schaltsekunde vorbereitet.
Im normalen Alltag ist diese Schaltsekunde nicht wirklich relevant. Anders ist das beispielsweise in der Astronomie, da bei der Ausrichtung eines Teleskops Weltzeit und Atomzeit übereinstimmen oder der Unterschied zwischen beiden Zeitskalen exakt bekannt sein muss. Es ist dokumentiert, dass die Einfügung der Schaltsekunde in Betriebssystemen von Computern und speziell bei der Erzeugung von eindeutigen Zeitstempeln Probleme bereitet hat. Ebenso ist es möglich, dass die Schaltsekunde bei Energieversorgern sowie Telekommunikationsunternehmen, die auf sekundengenaue Abrechnung angewiesen sind, Probleme verursacht. Wolle man die Wahrscheinlichkeit für solche Fehler verringern, so fordern Kritiker, müsse die Schaltsekunde eigentlich abgeschafft werden. Seit Jahren wird nun schon das Für und Wider von Schaltsekunden diskutiert. Eine Entscheidung wird vermutlich im November 2015 auf der World Radiocommunication Conference WRC-15 der Internationalen Telekommunikationsunion ITU fallen. Für 2015 verbleibt uns jedenfalls die zusätzliche Sekunde.
PTB / OD