Älteste Galaxie unter einer Lupe aus Dunkler Materie
Das Sternensystem MACS1149-JD1 entstand bereits weniger als 500 Millionen Jahre nach dem Urknall.
Rund 400 bis 500 Millionen Jahre nach dem Urknall ließen die Bedingungen im Kosmos die Bildung der ersten Sterne zu. „Eigentlich bestand kaum Hoffnung, Signale irgendeines Objekts aus dieser Epoche zu erhalten. Denn sollte es damals schon Galaxien gegeben haben, so wäre ihr Schein noch sehr viel schwächer als das Leuchten einer Kerze auf dem Mond. Kein Teleskop der Welt wäre derzeit in der Lage, ein solches Objekt zu entdecken“, erklärt Matthias Bartelmann vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH).
Abb.: In diesem Kompositbild des Galaxienhaufens MACS1149+2223 ist zu sehen, wie die Gravitationskraft der darin enthaltenen Dunklen Materie als Vergrößerungslinse für eine extrem weit entfernte Galaxie wirkt (Ausschnitt; Bild: CLASH Team / STScI)
Der natürliche Leuchtkraftverstärker, mit dessen Hilfe jetzt eine solche Galaxie entdeckt wurde, besteht aus Dunkle Materie. Besonders viel davon befindet sich in Galaxienhaufen, in denen sich hunderte oder tausende Galaxien auf engstem Raum bewegen. Liegt ein solcher Galaxienhaufen mit seiner Dunklen Materie in einem bestimmten Abstand zur Erde, wirkt er wie ein Lupenglas – er vergrößert hinter ihm liegende Objekte und bündelt ihr Licht, so dass sie heller erscheinen. Genau dieser Effekt der Gravitationslinse ermöglichte nun die Entdeckung der Galaxie MACS1149-JD1.
„Galaxien, die sich gerade in einer intensiven Phase der Sternentstehung befinden, weisen in ihrer spektralen Energieverteilung bestimmte unverwechselbare und charakteristische Abstufungen auf. Diese lassen sich aufspüren, indem eine Galaxie mit einem Teleskop durch verschiedene Filter beobachtet wird“, sagt Adi Zitrin aus Bartelmanns Arbeitsgruppe. Allerdings verschieben sich diese Abstufungen auf ebenso charakteristische Weise aufgrund der kosmologischen Rotverschiebung. Im Fall von MACS1149-JD1 hat diese einen Wert von 9,6. Dies entspricht einer Entfernung, die Licht in 13,2 Milliarden Jahren zurückgelegt hat.
Abb.: Aus der Analyse der Mehrfachbilder mehrerer Hintergrundobjekte (A bis I) lässt sich die Verteilung der Dunklen Materie im Galaxienhaufen ableiten. Die weißen und blauen Linien geben Isokonturlinien für angenommene Rotverschiebungen von z = 9,6 und z = 3 wieder. (Bild: Zheng et al.)
Entscheidende Hinweise, die zur Entdeckung von MACS1149-JD1 führten, lieferte eine am ZAH mit entwickelte Analysemethode. Dabei messen die Heidelberger Wissenschaftler die Verformung der Teleskop-Bilder von weit hinter den Galaxienhaufen liegenden Galaxien, die durch die in diesen Galaxienhaufen selbst geballt, aber unsichtbar vorhandene Dunkle Materie hervorgerufen wird. Im Fall des Galaxienhaufen MACS1149+22 konnten die Wissenschaftler insgesamt sieben Hintergrundgalaxien entdecken, deren Bild durch die Gravitationskraft des Galaxienhaufens verstärkt, verzerrt und in 23 Mehrfachbilder aufgespaltet wurde. Daraus ließ sich vorhersagen, wo sich eine leuchtkraftverstärkte Galaxie bei einer Rotverschiebung von 9,6 befinden müsste. Die Wissenschaftler konnten daraus schließen, dass die Galaxie MACS1149-JD1 bereits 490 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden ist.
Grundlage für die Forschungsarbeiten bildeten Aufnahmen des Weltraumteleskop Hubble, das seit 2010 bestimmte Galaxienhaufen intensiv beobachtet. An den Untersuchungen unter Leitung von Wei Zheng von der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) haben Forscherteams aus Chile, China, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Spanien, Taiwan und den USA mitgewirkt. Von deutscher Seite wird dieses Projekt durch die Baden-Württemberg Stiftung unterstützt, indem sie Mittel für den wissenschaftlichen Austausch beteiligter Spitzenwissenschaftler zur Verfügung stellt.
U. Heidelberg / OD