Aromatisches Graphen
Neues Herstellungsverfahren für das zweidimensionale Material besticht durch Flexibilität.
Graphen gilt als ein Material, dem vor allem in den Bereichen Elektronik, Sensorik und Displaytechnologie, aber auch in der Metrologie Wunderdinge zugetraut werden. Bereits vier Jahre nach der erstmaligen erfolgreichen Präparation von Graphen erhielten seine Entdecker Geim und Novoselov daher den Nobelpreis. Da die ursprüngliche Präparationsmethode durch Abschälen einzelner Atomlagen aus Graphit aber keine gute Perspektive für die breite technologische Nutzung bietet, konzentrieren sich viele Forschungsgruppen sehr stark auf die Entwicklung alternativer Herstellungsverfahren. Eine völlig neue und sehr flexible Variante wurde nun von der Gruppe von Andrey Turchanin von der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Universität Ulm und drei Fachbereichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickelt.
Abb.: Auf dem Titelbild der Zeitschrift Advanced Materials ist die Umwandlung der Monolage des komplexen Moleküls Biphenylthiol in den zweidimensionalen Graphenkristall durch Elektronenbestrahlung und thermische Behandlung schematisch dargestellt. (Bild: Wiley-VCH)
Im Unterschied zu üblichen Methoden, bei denen das Graphen etwa durch Abscheiden von Kohlenstoffatomen aus der Gasphase oder durch thermische Graphitierung von Siliziumcarbid hergestellt wird, wählten die Wissenschaftler in dieser Arbeit aromatische Moleküle als Ausgangspunkt. Als Substrate kamen dabei sowohl Kupfer-Einkristalle als auch preiswerte polykristalline Kupferfolien zum Einsatz. Durch Bestrahlung mit niederenergetischen Elektronen und nachfolgendes thermisches Ausheilen gelang es, eine auf der Kupferoberfläche abgeschiedene selbst-organisierte Einzellage des Moleküls Biphenylthiol in Graphen umzuwandeln.
Für die Untersuchung der chemischen und physikalischen Eigenschaften des so erzeugten Graphens kamen verschiedene Charakterisierungsmethoden der Universitäten Ulm und Bielefeld sowie der PTB zum Einsatz, nämlich die Raster-Tunnelmikroskopie, die Transmissionselektronenmikroskopie, die Ramanspektroskopie sowie elektrische Transportmessungen bei tiefen Temperaturen und hohen Magnetfeldern. All diese Messungen bestätigten, dass aus dem aromatischen Molekül wirklich Graphen von hervorragender kristalliner und elektronischer Qualität entstanden war.
Durch die Flexibilität der Elektronenbestrahlung, die sowohl großflächig als auch mit hervorragender Ortsauflösung an kleinen wohldefinierten Stellen möglich ist, lassen sich nun Graphenstrukturen mit prinzipiell beliebiger Form erzeugen, etwa Quantenpunkte, Nanostreifen oder andere Nano-Geometrien mit spezifischer Funktionalität. Durch die Wahl der Temperatur beim thermischen Umwandlungsschritt lassen sich auch der Grad der Kristallinität und die davon abhängenden Eigenschaften des Graphens einstellen.
Weitere Vorteile entstehen durch die Vielseitigkeit der Methode der selbst-organisierten Beschichtung. Man kann sie mit unterschiedlichen aromatischen Molekülen durchführen, die auch Dotieratome zur elektronischen Dotierung des Endprodukts enthalten könnten. In Mehrfachlagen aufgebracht, ließen sich sogenannte Bilagen- oder Multilagen-Graphene erzeugen, deren geänderte elektronische Bandstruktur die Anwendungsmöglichkeiten von Einzellagen-Graphen erweitert. Ebenso könnten andere Substrate als das hier verwendete Kupfer (etwa andere Metalle, Halbleiter, Isolatoren) genutzt werden. Darüber hinaus sollte auch die Erzeugung von Graphen auf beliebigen 3D-Oberflächen möglich sein, da molekulare Selbstorganisation auch auf gekrümmten Flächen stattfindet.
PTB / DE