05.09.2005

Atomar glatte Oberflächen

Das Rätsel, wie diamantähnliche dünne Kohlenstoffschichten wachsen und warum diese fast atomar glatt sind, wurde gelöst.


Atomar glatte Oberflächen

Das Rätsel, wie diamantähnliche dünne Kohlenstoffschichten wachsen und warum diese fast atomar glatt sind, wurde gelöst.

Die Glattheit von Beschichtungen ist Voraussetzung für verminderte Reibung und Verschleißschutz. Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg und der Universität Karlsruhe erklären zusammen mit Kollegen der Universität Cambridge, wie diamantähnliche dünne Kohlenstoffschichten wachsen und warum diese fast atomar glatt sind. Das Modell zur Entstehung der Oberfläche im atomaren Maßstab widerlegt bisherige Erklärungsversuche. Das Ziel ist, Beschichtungen in ihrer Oberflächenbeschaffenheit für beliebige tribologische Anwendungen maßzuschneidern.

Ohne diamantähnliche Kohlenstoffschichten würden Festplatten in PCs nicht funktionieren, Wälz- oder Gleitlager würden schneller verschleißen, Dichtungen würden undicht: Diese Schichten haben einen geringen Reibwert und einen hohen Verschleißwiderstand – ideale Ausgangsbedingungen für sich gegeneinander bewegende Bauteile, wie sie im Maschinenbau, im Rennsport oder der Mikroelektronik vorkommen. Hergestellt aus gewöhnlichem Kohlenstoff bestimmt die Anordnung der einzelnen Atome in der Schicht deren Eigenschaften. Das spezifische Schichtdesign basiert bisher auf Erfahrungswerten und vielen Experimenten.

Die raue Schicht im Vordergrund wurde mit 4000 Kohlenstoffatomen beschossen. Die geglättete Schicht ist im Hintergrund zu sehen. (Quelle: Fraunhofer IWM)

Welche Rolle die Glätte von Schichten aus diamantähnlichem Kohlenstoff spielt, lässt sich an Computerfestplatten verdeutlichen. Der Lesekopf gleitet mit einem Abstand von wenigen Nanometern über den Magnetspeicher. Dazwischen befinden sich ein hauchdünner Schmierfilm und eine den Magnetspeicher schützende Kohlenstoffschicht. Rauigkeiten in der Kohlenstoffschicht würden die Qualität der Festplatte beeinträchtigen. Mit zunehmender Datendichte gilt es den Abstand zwischen Lesekopf und Datenspeicher noch weiter zu verringern. In Anbetracht der geforderten Präzision, zählt hier jede Atomlage.

„Um Schichten für solche und andere Anwendungen in ihrem Aufbau optimieren und gezielt einstellen zu können, wollen die Entwickler und Hersteller der Schichten verstehen, auf welche Weise sich die Atome auf der Oberfläche abscheiden und wie die Schicht wächst“, beschreibt Michael Moseler vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM die Herausforderung.

Erklärungsversuche für die Glattheit der Schichten gingen bisher von einem kurzzeitigen lokalen Aufschmelzen aus. Mit molekulardynamischen Simulationen und Experimenten hat eine Wissenschaftlergruppe um Michael Moseler vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg, Peter Gumbsch von der Universität Karlsruhe und um Andrea Ferrari und John Robertson von der Universität Cambridge nachgewiesen, dass dieses Erklärungsmodell nicht haltbar ist.

Beim Beschichtungsprozess entstehen demnach wie beim Schütten von Sand auf eine Oberfläche an vielen Stellen kleine Erhebungen. Treffen nun die Kohlenstoffatome auf die Hänge dieser Unebenheiten, so werden diese wie beim Laufen über ein Geröllfeld nach unten getrieben. Es kommt zu einer Erosion im atomaren Maßstab, die zur viel zitierten extremen Glätte führt. „Was hier einfach klingen mag, ist für die Beschichtung von hoher Bedeutung“, betont Peter Gumbsch von der Universität Karlsruhe. „Die Prozessfenster, in denen die gewünschte Oberflächenstruktur erreicht werden kann, können mit den neuen Simulationsmöglichkeiten wesentlich besser vorhergesagt werden.“

Die mathematische Beschreibung der Entstehung und des Wachstums diamantähnlicher Kohlenstoffschichten macht nun den Weg frei für das virtuelle Design von Oberflächenstrukturen mit maßgeschneiderten Eigenschaften. „Denn jetzt, wo wir die Glätte beherrschen, können wir auch gezielt Strukturierungen einstellen. Damit sind wir dem gezielten Design von Tribosystemen und der damit verbundenen möglichen Reibminderung und Energieeinsparung ein gutes Stück näher gekommen“, so Moseler.

Quelle: Fraunhofer IWM

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