Bewegung im Sternenstaub
Ungewöhnliche Strukturen in der Staubscheibe eines Sterns entdeckt.
Der Stern AU Microscopii im südlichen Sternbild Mikroskop, etwa 33 Lichtjahre von der Erde entfernt, ist von einer großen Staubscheibe umgeben, die irdische Beobachter fast genau von der Seite sehen. Jetzt ist es mithilfe von SPHERE, einem jüngst am Very Large Telescope der ESO installierten Instrument gelungen, die Trümmerscheibe von AU Mic detailscharf abzubilden. Außer den SPHERE-Daten wurden dabei noch frühere Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble genutzt. Erstmals gelang es dabei, nicht nur Unterstrukturen der Scheibe zu zeigen, sondern auch zuverlässig nachzuweisen, wie sich diese Strukturen mit der Zeit verändern. Die Scheibe um AU Mic weist offenbar schnell bewegte, wellenartige Strukturen auf.
Abb.: Bilder der Trümmerscheibe um den Stern AU Mic von 2010 (oben; Hubble-Weltraumteleskop), 2011 (Mitte; Hubble) und 2014 (unten; SPHERE), die neu entdeckte, bewegte, wellenartige Strukturen zeigen. Der schwarze Kreis in der Mitte zeigt an, wo das helle Licht des Zentralsterns künstlich abgeschattet wurde, um die Beobachtung der deutlich leuchtschwächeren Scheibe zu ermöglichen. Das Symbol in der Kreismitte zeigt die Position des Sterns an. Die Entfernungsskala ganz oben im Bild zeigt den Durchmesser der Umlaufbahn des Planeten Neptun in unserem Sonnensystem (60 AU). Die Helligkeit der äußeren Scheibenregionen wurde künstlich überhöht, um dortige Strukturen sichtbar zu machen. (Bild: ESO, NASA & ESA)
Als das Instrumentierungsteam nach Zielobjekten für ihre ersten Beobachtungen suchte, war AU Mic ein naheliegender Kandidat. MPIA-Direktor Thomas Henning, der an der Forschungsarbeit beteiligt war, erklärt: „Gleich auf den ersten Blick haben wir detaillierte Strukturen in der Scheibe gesehen – hätten Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass solche Bilder 2015 möglich wären, hätte ich Ihnen das vermutlich nicht geglaubt. Wir haben diese Strukturen dann mit Bildern verglichen, die einige Kollegen und ich 2010 und 2011 mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen hatten.“
Henning fährt fort: „Uns erwartete eine Überraschung: In der Tat war es uns möglich, eine ganze Reihe von Strukturen eindeutig sowohl in den SPHERE- als auch in den Hubble-Bildern zu identifizieren. Aber innerhalb der wenigen Jahre, die zwischen den beiden Beobachtungen vergangen waren, hatten sich diese Strukturen deutlich weiter vom Stern entfernt. Zum ersten Mal beobachten wir nicht nur die Struktur oder die spektralen Eigenschaften einer solchen Trümmerscheibe – wir konnten zusehen, wie sich die Scheibe veränderte!"
Eine vorläufige Auswertung der Daten, die noch durch zukünftige Beobachtungen bestätigt werden muss, legt nahe, dass ein Teil der Materie, die dort beobachtet wurde, schnell genug fliegt, um aus der Scheibe und sogar aus dem gesamten betroffenen Sternensystem zu entkommen.
Bislang ist noch nicht vollständig geklärt, wie die dynamischen Eigenschaften, die der Vergleich der Bilder offenbart hat, zustandekommen. AU Mic ist ein roter Zwerg, Typ M1 Ve, der nur etwas mehr als halb so groß ist wie die Sonne – mit rund zwölf Millionen Jahren ein recht junger Stern im Vergleich zu den knapp fünf Milliarden Jahre unserer Sonne. Wie bei solchen jungen Sternen häufig, zeigt AU Mic starke Aktivität und produziert mit einiger Häufigkeit Eruptionen, bei denen stellares Plasma mit hohen Geschwindigkeiten nach außen geschleudert ist. Eine Möglichkeit ist, dass die bewegten Strukturen in der Staubscheibe auf diese Weise zustande gekommen sind.
Eine weitere durchaus reizvolle Möglichkeit ist, dass die Veränderungen in der Scheibe Hinweise auf das Vorhandensein eines oder mehrerer Riesenplaneten in der Staubscheibe sind. Die Veränderungen würden in diesem Falle durch die Gravitation der Planeten während ihres Wanderns durch die Scheibe hervorgerufen. Bislang sind allerdings noch keine Planeten um AU Mic nachgewiesen – was sich in Zukunft allerdings durchaus ändern könnte.
Insgesamt legt der überraschende Nachweis der Scheibendynamik von AU Mic ein ganzes Programm zusätzlicher Beobachtungen nahe. Haben die Forscher besonders großes Glück, könnte ihnen sogar der Nachweis von Protoplaneten in der Scheibe gelingen, also von kleineren Körpern, die eifrig weitere Masse ansammeln um später zu Planeten zu werden. Allgemeiner sollten detaillierte Beobachtungen der Dynamik solcher Scheiben direkte Vergleiche mit der Simulation solcher Objekte ermöglichen – und könnten auch Informationen über Prozesse der Planetenentstehung liefern, die in der Scheibe ihre Spuren hinterlassen haben.
MPIA / SK